Bildverarbeitung

Untersuchung von Objekten in Bewegung mit Mehrenergie-Röntgentechnik

26.09.2019 -

Industriell wird Röntgentechnik unter anderem in der zerstörungsfreien Prüfung, Sicherheitstechnik und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Die Anwendung eignet sich besonders, wenn innen liegende Strukturen, die mit gängigen optischen Verfahren nicht sichtbar gemacht werden können entdeckt und bewertet werden müssen. Offensichtliche Beispiele hierfür sind Lufteinschlüsse in einem Gussbauteil oder ein Metallgegenstand in einem Gepäckstück. Allerdings ist Röntgentechnik gänzlich ungeeignet, wenn Materialien mit sehr ähnlicher Dichte oder Kernladungszahl unterschieden werden sollen. Mehrenergie-Röntgentechnik hingegen eignet sich hervorragend für anspruchsvolle Sortieraufgaben.

Röntgenbildgebung (XRT) wie auch Computertomographie (CT) sind den Meisten wohl aus der Medizin bekannt. Deren Grundprinzip beruht auf der teilweisen Transmission und Absorption von Röntgenstrahlung, wobei Materialien mit hoher Dichte, z.B. Knochen, stärker absorbieren als Materialien mit niedriger Dichte, wie beispielsweise Gewebe. Diese Abschwächung des Röntgenstrahls lässt sich mit Röntgenfilmen oder digitalen Röntgendetektoren visualisieren. Werden solche Röntgenaufnahmen aus vielen unterschiedlichen Richtungen aufgenommen, können diese anschließend durch Software zu einem 3D-Modell zusammengefügt werden. Hiermit werden z.B. Thorax oder Abdomen-CT Daten ausgewertet.

Mehrenergie-Röntgentechnik

Eine Möglichkeit, weitere Information über das Material des untersuchten Objekts zu erhalten, ist, statt wie bei normalen Aufnahmen eine Röntgenenergie zur Bildgebung zu nutzen, zwei verschiedene Energien zu verwenden. Vergleichbar ist dies mit den unterschiedlichen Farben des sichtbaren Lichts, welche verschiedenen Wellenlängen und somit Energien entsprechen. Aus den Röntgenaufnahmen bei unterschiedlichen Energien lassen sich pixelweise Materialeigenschaften, wie die effektive Ordnungszahl oder die Dichte, bestimmen. Eine Weiterentwicklung ist die Verwendung von mehr als zwei Energien. Mit dieser sogenannten Mehrenergie-Röntgentechnik (MEXRT) lässt sich eine höhere Trennschärfe zwischen den Materialparametern erzielen.

Röntgentechnik für Sortierung

XRT erlaubt die Untersuchung von Objekten in Bewegung, wodurch beispielsweise auch die Analyse und Klassifizierung von Materialströmen auf einem Förderband möglich ist. Je nach Anwendungsfall kann dabei eine Geschwindigkeit von bis zu 3 Metern pro Sekunde erreicht werden. Da sowohl Auswertung als auch Entscheidungsprozess in Echtzeit möglich sind, lässt sich ein Röntgen-System in bereits vorhandene Prozesse integrieren, ohne deren zeitlichen Ablauf zu stören. Die ermittelten quantitativen und örtlich hoch aufgelösten Materialdaten erlauben die Sortierung der Einzelobjekte.

Beispiele aus der Sortier-Praxis

Da XRT unempfindlich ist gegenüber oberflächlichen Verunreinigungen der untersuchten Objekte, der Röntgenquelle und des Detektors, eignen sich die Methoden auch für raue Umgebungen mit erhöhter Staubentwicklung, für die optische Methoden nicht in Frage kommen. Beispielsweise können im Bergbau wertvolles Gestein (wie Erz, Metall oder Edelsteine) und Taubgestein mittels MEXRT voneinander unterschieden und somit die Weiterverarbeitung von wertlosem Abraum vermieden werden. Dabei ist die Methode so genau, dass es möglich ist, kleine Objekte wie Diamanten zu detektieren. Gleichfalls können die Bestandteile von Bauschutt aus einem Rückbau aufgetrennt und wiederverwendet werden.
Die berührungslose Detektion von Fremdstoffen in Lebensmitteln ist ein weiteres vielversprechendes Anwendungsgebiet und verhindert Produktrückrufe ebenso wie Gesundheitsschäden bei Verbrauchern. Auftretende Steine, Glas- oder Metallsplitter sind dabei gut identifizierbar. Weniger dichte Materialien wie Kunststoffe stellen jedoch mit Einzelenergie Röntgen eine große Herausforderung dar. Ihre Erkennung kann aber mit MEXRT deutlich verbessert werden. Ähnlich komplex ist die Detektion von weniger dichten Knochen in Hähnchenfleisch oder von Gräten in Fisch. Auch in diesem Fall erlaubt MEXRT eine zuverlässigere Detektion. Speziell die Erkennung von Gräten in Fisch stellt ein großes Problem dar, da diese sehr fein sein können und dadurch eine hohe Auflösung des bildgebenden Systems benötigt wird. Für diesen Fall werden Kameras entwickelt, die eine hohe Auflösung bei geringer Messzeit ermöglichen. Auf diese Weise kann eine hundertprozentige Prüfung der Lebensmittel durchgeführt werden, was eine hohe Zeit- und Arbeitskraftersparnis im Vergleich zur manuellen Untersuchung darstellt. Für die Überprüfung von Lebensmitteln eignen sich niedrige Energien, was den Vorteil eines leicht zu realisierenden Strahlenschutzes hat.
Die Möglichkeit, verschiedene Materialien zu unterscheiden, ist auch im Bereich Recycling von großem Interesse. MEXRT findet hier Anwendung bei der erfolgreichen Sortierung von Metallteilen aus Aluminium, Kupfer oder Legierungen wie Messing und Bronze, deren chemische Zusammensetzung stark variiert. Nur bei einer sehr effektiven Klassifizierung nach dem Aluminium- beziehungsweise Kupfergehalt kann das sortierte Produkt wiederverwendet werden. Auch Kunststoffe, die durch den Einsatz von Flammschutzmitteln einen erhöhten Bromgehalt aufweisen, können erkannt und je nach Bromgehalt aus dem Recyclingprozess entfernt werden (Abbildung 1).
Ein wachsendes Problem für Recyclinganlagen stellen heutzutage Li-Ionen Akkus in Handys und anderen elektronischen Altgeräten (eAG) dar. Werden diese bei der maschinellen Zerkleinerung der eAG beschädigt, besteht die Gefahr von Personenschäden und Bränden, die ganze Recyclinganlagen zerstören können. Eine manuelle Untersuchung jedes Einzelnen eAG ist aber, auch aufgrund ihrer Vielfalt, aufwändig. MEXRT kann genutzt werden, um Objekte mit Li-Ionen Akkus automatisch zu detektieren (Abbildung 2). So können diese vor der Zerkleinerung entfernt und in spezialisierten Anlagen gesondert recycelt werden.

Ausblick

Mit der Weiterentwicklung des maschinellen Lernens lassen sich die gesammelten Informationen aus MEXRT ebenfalls nutzen, um künstliche neuronale Netze (KNN) zu trainieren. Diese lernen aus bestehenden, gekennzeichneten Daten Unterschiede zwischen den Materialklassen zu identifizieren. Basierend auf dem so generierten Vorwissen – dem sogenannten Trainingsset – erkennt das Netzwerk Merkmale, in welchen sich die Proben unterscheiden. Dies kann genutzt werden, um eine Klassifizierung der Objekte anhand einer Vielzahl von Attributen durchzuführen. Das Potenzial dieser Erkennung liegt in der Tatsache, dass sich das Netzwerk auch Merkmale zur Unterscheidung aneignen kann, welche in den bisherigen Bildverarbeitungs-Algorithmen ggf. nicht abgedeckt oder beachtet werden. Da aber stets nachvollziehbar sein sollte, welche Merkmale zur Unterscheidung genutzt werden - und somit verhindert wird, auf falschen oder nur im Test vorhandenen Informationen zu lernen – muss die Blackbox der neuronalen Netzwerke verständlich nachvollziehbar sein. Hierzu werden Ansätze aus dem Bereich der erklärbaren künstlichen Intelligenz (Explainable Artificial Intelligence – XAI) verwendet und mit der Auswertung kombiniert. Beides bietet enormes Potenzial für die Auswertung von Mehrenergieröntgendaten mittels KNN und ist Gegenstand aktueller Forschung.

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Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik EZRT

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