Bildverarbeitung

„Bin-Picking-Systeme ­ optimieren den ­Gesamtprozess“

Interview mit Tolga Sarraf, Sales Director EMEA bei Isra Vision

11.03.2021 - Tolga Sarraf, seit über neun Jahren Vertriebsleiter für die 3D-Produkte im Bereich Smart Factory Automation bei Isra Vision, unterhält sich mit der inspect unter anderem über die Herausforderungen moderner ­Produktionsumgebungen. Insbesondere die sinkenden Zykluszeiten gehören dazu. Das Unternehmen begegnete diesen mit verschiedenen Technologien, unter anderem Künstlicher Intelligenz.

inspect: Wo liegen die Herausforderungen der robotergeführten Schüttgutvereinzelung?

Tolga Sarraf: Bin-Picking-Systeme sollten sich zunächst einmal schnell und effizient in die Produktion einfügen. So werden zum Beispiel kleinere Bauteile in immer kürzeren Taktzeiten produziert. Um bei diesen Teilen eine dichte, dreidimensionale Punktwolke zu erzeugen, sind hochauflösende Sensoren im Einsatz. Die genaue Lokalisierung und das kollisionsfreie Greifen muss dabei nicht nur bei matten, glänzenden oder farbigen Oberflächen gelingen, sondern auch bei komplexen Objektlagen und diffusen Lichtverhältnissen. Nicht zu vergessen ist auch eine unkomplizierte Roboter-Sensor-Kalibrierung. Nur wer alle diese Disziplinen beherrscht, erzielt beim Griff in die Kiste einen maximalen Entleerungsgrad. Doch Bin-Picking-Systeme werden nicht nur an ihrem Entleerungsgrad gemessen: Das schnelle Einlernen von neuen Bauteilen durch das eigene Personal und eine möglichst geringe Zeit für die Inbetriebnahme (IBN) sind in kurzen Produktionszyklen heutzutage eine Grundvoraussetzung. Nicht zuletzt muss die Software intuitiv und schnell vom Bediener beherrschbar sein. Bin-Picking-Systeme sind nun mal ein wichtiger Baustein im Gesamtsystem, um den Produktionsprozess zu optimieren.

inspect: Isra Vision hat in diesem Bereich viel Erfahrung. Was sind die wesentlichen Aspekte Ihrer Bin-Picking-Lösungen?

Sarraf: Isra beschäftigt sich schon seit über zehn Jahren mit der robotergeführten Schüttgutvereinzelung und hat hunderte von Systemen installiert. In dieser Zeit konnten wir unser System stetig verbessern und auf die Wünsche unserer Industriekunden anpassen. Ein immer wieder aufkommender Wunsch war es, dass die Handhabung einer solchen Applikation sehr einfach sein muss, damit sie von den Endkunden und von den Mitarbeitern an den Produktionsanlagen angenommen wird. Diesem Wunsch hat Isra Vision sehr große Beachtung geschenkt. Herausgekommen ist ein Software-Paket, das sich gut bedienen lässt: Das übersichtliche Kacheldesign ermöglicht es auch Mitarbeitern, die wenig bis keine Erfahrung in der industriellen Bildverarbeitung haben, selbstständig neue Bauteile einzulernen und einzurichten. Die Einrichtungsparameter wurden auf ein Minimum reduziert und sind somit übersichtlich und einfach zu handhaben.
Bei der Hardware-Entwicklung wurde ein breites Portfolio an Sensoren entwickelt, welche den unterschiedlichen Anforderungen unserer Kunden Rechnung tragen. Angefangen vom Intellipick3D-Sensor, der laserbasiert auch bei schwierigen Umgebungsbedingungen, zum Beispiel Schmieden, eingesetzt werden kann, bis hin zum Powerpick3D, welcher LED-basiert für kurze Scanzeiten sorgt und dem Minipick3D, das gerade bei Kleinstteilen sehr hohe Auflösungen garantiert.

inspect: Immer kürzere Zykluszeiten und die Themen Effizienz und Schnelligkeit spielen eine immer größere Rolle. Welche Ansätze verfolgt Isra, um den Griff in die Kiste zu beschleunigen?

Sarraf: Wir haben zum Beispiel beim weiterentwickelten Bin-Picking-Sensor Powerpick3D einen besonderen Schwerpunkt auf die Effizienz und Schnelligkeit gelegt. Das fängt schon bei der einfach zu handhabenden Installation und der schnellen Systemeinrichtung des Sensors an. Durch das intuitive „Ein-Klick“-Setup zur Roboterschnittstelle wird eine einfache An­bindung an alle gängigen Robotertypen­ ermöglicht. Die Kalibrierung zwischen Sensor und Roboter erfolgt innerhalb weniger Minuten.
Ebenso praxisgerecht ist auch das Hinzufügen von Bauteilen: Durch ein neues Scan-basiertes „Teach-In“ ist das Einlernen neuer Teile per Scan mit wenigen Klicks erledigt. Die Vielfalt der einzulernenden Bauteile ist dabei nahezu unbegrenzt. Durch das Präsentieren des Bauteils von verschiedenen Seiten kann ein vollständiges 3D-Modell erstellt werden.
Aber natürlich haben wir nicht nur den Einrichtungsprozess und die Bauteilerfassung, sondern auch den Griff in die Kiste selbst effizienter gestaltet: So haben wir eine Multi-Pick-Funktion in den Sensor integriert. Mehrere Teile können dabei prozesssicher nach nur einem Scan gegriffen werden, denn Bereiche in denen zuvor Teile bewegt wurden, werden gesperrt. Und wird beim Scannen ein unbekanntes Bauteil erkannt, so wird der Bediener per Alarm informiert und die Produktion läuft ohne kostenintensiven Stillstand weiter.
Ein wichtiger Punkt sind auch Ausfallzeiten bei der Materialversorgung. Dank eines modular erweiterbaren Multi-Sensor-Layouts scannen zwei Sensoren durchgängig zwei Kisten. Damit genügt ein Roboter, um zwei Behälter zu entleeren. Ist ein Behälter bereits leer, werden die Bauteile aus dem zweiten Behälter vereinzelt, sodass die Produktion flüssig weiterlaufen kann. Nicht zuletzt wird durch die zuverlässige Roboterbahnplanung eine kollisionsfreie Bahn berechnet und damit ein sicherer Betrieb mit möglichst kurzen Taktzeiten erzielt.

inspect: Wie funktioniert die Roboterbahn­planung konkret?

Sarraf: Die Roboterbahnplanung ist bereits Teil eines virtuellen Bin-Picking-Prozesses. Anwender können vorab verschiedene Szenarien simulieren und den optimalen Aufbau der gewünschten Roboter-Anwendung ermitteln und dabei den Roboter virtuell die Kisten entleeren lassen. Im laufenden Betrieb erfolgt eine automatische Berechnung des optimalen Roboterpfades. Die zuverlässige Generierung kollisionsfreier Bahnen ermöglicht einen prozessstabilen Betrieb des Roboters beim Griff in die Kiste. Nachdem wir eine automatische Pfadplanung zunächst nur für Kuka-Roboter zur Verfügung gestellt haben, gibt es diese übrigens nun auch für die weiteren gängigen Robotern wie zum Beispiel ABB, Fanuc, Yaskawa, Universal Robots und Kawasaki. Mit smarten Tech-Paketen für die jeweiligen Robotermarken unterstützen wir die nahtlose Integration unserer Bin-Picking-Lösung.

inspect: Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Entwicklungen beim Bin ­Picking der letzten Jahre und was kommt als nächstes?

Sarraf: Mit dem smarten Sensordesign mit Embedded-PC konnte in der Vergangenheit durch die beschleunigte Datenübertragung und Verarbeitung bereits die Scanzeit deutlich verkürzt werden. Mit unserer Quad-Kamera-Technologie haben wir Multi-View-Aufnahmen des Sensors ermöglicht, sodass auch bei Abschattungen und Reflexionen an einem Bauteil eine sichere Objekterkennung zur präzisen Generierung einer Punktwolke sichergestellt wird. Mit der Roboterbahnplanung, der prozesssicheren Multi-Pick-Funktion und dem scan-basierten Teach-In wurden die Features technologisch weiter ausgebaut.
Als nächster Schritt wird zum Beispiel nicht nur die 3D-Punktwolke direkt am Sensor berechnet, sondern das Bin-Picking-System vollständig über einen im Sensor integrierten Rechner laufen. Dabei entwickeln wir natürlich auch den Kern, also den Algorithmus zur Detektion der Teile, stetig weiter.
Aber nicht nur die Bildverarbeitung, auch die Wartung unserer Bin Picking-Systeme werden wir auf ein neues Level stellen: Per App wird zum Beispiel die Temperatur überwacht und neue Updates angestoßen.

inspect: Welche Rolle spielen KI-Technologien beim Griff in die Kiste?

Sarraf: Die robotergeführte Schüttgutvereinzelung zählt zu den herausforderndsten Aufgabenstellungen in der Robotik. Künstliche Intelligenz und Softwarelösungen sind das Rückgrat dieser Technologie, weswegen sie heute in aller Munde sind.
KI- basierte Technologien werden ihren Beitrag dazu leisten, dass schwierige – sprich: komplexere Bauteile – immer besser und automatisch erkannt werden, ohne dass es eines CAD-Modells bedarf.
Die Benutzer müssen sich auch keine Gedanken mehr hinsichtlich der Greifpunktplanung machen, da die KI die bestmöglichen Greifpunkte selbst vorschlägt. Auch die Parameter werden automatisch auf die jeweiligen Randbedingungen angepasst. Der Roboter kann so wesentlich effektiver, zeitsparender und produktiver arbeiten. Gleichzeitig muss der Benutzer durch die zunehmende Autonomie des Roboter- und Sensorsystems noch weniger Zeit für die Einrichtung einplanen.

inspect: Wo sehen Sie den nächsten Evolutionsschritt beim Bin Picking?

Sarraf: Vom Markt her wird immer wieder der Wunsch herangetragen, Bin Picking und Qualitätskontrolle in einem Step zu erledigen. Technologisch gesehen sind die Herausforderungen für so ein System gewaltig. Zweifellos hätte diese Methode einen hohen Mehrwert: Alles an einer Station zu erledigen, spart Platz und die Taktzahl könnte weiter verkürzt werden. Noch wichtiger wären die Vorteile für die Prozessoptimierung: In Echtzeit würden dann die gewonnenen Qualitätsdaten in die Produktion einfließen. Produktionsfehler würden noch schneller gemeldet und der Ausschuss könnte folglich noch weiter reduziert werden.
Ein weiterer technologischer Quantensprung ist im Bereich der digital-vernetzten Industrie 4.0 zu erwarten. Insbesondere die in der intelligenten Fabrik gewonnen Messdaten werden immer wichtiger. Selbstlernende Systeme – auch beim Griff in die Kiste – werden noch vorausschauender und genauer Arbeiten und sich noch flexibler auf Kleinstserien und immer individuellere Bauteile einstellen. In Zukunft wird immer mehr Sensorik auf sogenannten Fahrerlosen Transportsystemen zum Einsatz kommen und in der Smart Factory autonom Teile kommissionieren.

inspect: Auf welche neuen Systeme dürfen wir uns heute und in Zukunft freuen?

Sarraf: Wir haben in der letzten Zeit einige neue Systeme auf den Weg gebracht und haben in Zukunft noch einiges vor. Sehr interessant ist zum Beispiel unser kompakter X-Gage3D – ein „All-in-One“-Sensor für schnelle, zuverlässige und präzise 3D-Vermessung und -Digitalisierung von Bauteilen. Der für die stationäre und robotergeführte Anwendung geeignete X-Gage3D ist mit hochauflösenden Kameras, präzisen optischen Systemen und Embedded-Technologie ausgestattet. Damit kann er auch bei anspruchsvollsten Anwendungen, zum Beispiel bei glänzenden Objekten, eine 100-Prozent-Kontrolle von Bauteilen gewährleisten.
Mit modernen Embedded-Technologien werden die neuen Smart-Mono-Systeme ausgestattet. Mit nur einer Kamera und Sensoren wird eine sichere Roboterführung und Identifikation des Bauteils erreicht. Es wird somit mit minimalen Materialeinsatz eine hochflexible Systemkonfiguration auch auf engsten Raum erzielt. Die nächste Generation des Mono-Systems wird unser Portfolio perfekt ergänzen.

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