Bildverarbeitung

3D-Thermografie zur Prüfung komplexer ­Composites-Materialien

Kombiniertes Messsystem zur 3D-Temperaturprüfung

26.07.2021 - Während für konventionelle Bauteile meist ein Verfahren für die Qualitätssicherung ausreicht, kann es bei hybriden Materialien vorkommen, dass sich die Methoden nicht für alle im Bauteil vorkommenden Materialien eignen. Spätestens, wenn es um Metall- und Kunststoffverbunde geht, müssen mehrere Prüfverfahren kombiniert werden, um eine ganzheitliche Bauteilinspektion zu erreichen. Ein Beispiel ist das 3D-Thermografieverfahren für ein metallverstärktes CFK-Bauteil.

Um die Vorzüge moderner Hochleistungswerkstoffe zu kombinieren, kommen immer häufiger hybride Werkstoffe zum Einsatz. Unternehmen kombinieren dabei konventionelle Verfahren wie Spritzguss oder Metallguss mit neuen Methoden, um das Beste aus den verschiedenen Welten zusammenzubringen. Über additive Fertigung oder den Einsatz faserverstärkter Materialien entstehen so noch leistungsfähigere Produkte und Lösungen. Schon jetzt ist klar: Diese Verschränkung wird über die nächsten Jahre in Industrie und Technik zunehmen. Hybride Bauteile zeichnen sich durch eine höhere Komplexität in ihrer Zusammensetzung aus. Dies hat neben den positiven Veränderungen von Material- und Bauteileigenschaften allerdings auch negative Einflüsse. Dies erhöht auch die Komplexität der Qualitätssicherungsmaßnahmen.

Während für konventionelle Bauteile meist ein Prüfverfahren ausreichend ist, um eine Art von Fehlern zu detektieren, kann es bei hybriden Materialien vorkommen, dass bestimmte Methoden nicht für alle im Bauteil vorkommenden Materialien verwendet werden können. Eine Wirbelstromprüfung, um Poren-Defekte zu erkennen, ist beispielsweise nur bei leitenden Materialien erfolgreich. Doch was, wenn Teile des Werkstücks aus Kunststoff gefertigt werden? In solchen Fällen ist es notwendig, verschiedene Prüfsysteme durch Sensorfusion zu kombinieren und die Schwächen der einzelnen Systeme gegeneinander auszugleichen.

Composite-Experte und Bildverarbeiter finden gemeinsame Lösung

Ein weit verbreitetes Verfahren zur Qualitätssicherung ist die optische Oberflächenprüfung. Hierbei machen Industriekameras Aufnahmen von der Oberfläche eines Bauteils und detektieren mittels Bildverarbeitung Fehlstellen. Der Lichtfeld-Sensor Lumiscan X von HD Vision Systems vereint die optische Oberflächeninspektion mit 3D-Vermessung. Hierfür wird über ein kreuzförmig angeordnetes Kamera-Array die sogenannte plenoptische Funktion über ein in der Software implementiertes Lichtfeldverfahren abgebildet. Dieses 3D-Verfahren ist in der Industrie besonders effektiv, da den Sensor störende Umgebungseinflüsse, wie Gegenlicht oder glänzende Oberfläche, kaum beeinflussen. Der Sensor verbindet so Tiefeninformationen mit der aufgenommenen Szene. Dadurch erkennt das System Unebenheiten, Defekte oder Oberflächenänderungen in der automatisierten Qualitätsinspektion noch erfolgreicher.

Das Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite-und Verarbeitungstechnik (IGCV) ist in Süddeutschland eines der führenden Forschungsinstitute im Bereich von hybriden Materialien. Besonders im Bereich Composites forscht man an Verfahren, die Faserverbundbauteile mit konventionellen Materialien verbinden. Insbesondere für Composites ist volumetrische Defekterkennung aufgrund ihres lagenartigen Aufbaus besonders wichtig. Hierfür kommen Verfahren wie die Ultraschall-, Wirbelstrom- oder Thermografieprüfung zum Einsatz.

Um zu erforschen, wie sich die Vorzüge der 3D-Inspektion mit dem Sensor Lumiscan X mit denen der volumetrischen Messung einer Thermografiekamera verbinden lassen, führte das Fraunhofer IGCV gemeinsam mit dem Projektpartner HD Vision Systems eine Studie durch. 

Mapping von Thermografiedaten und Tiefeninformationen

Der Name ist Programm: Bei der sogenannten 3D-Thermografie werden die temperaturabhängigen Bilddaten der Infrarotkamera mit der Tiefeninformation des 3D-Messsystems überlagert. Daraus entsteht ein räumliches Modell, meist in Form einer Punktwolke. Diese beinhaltet in einer zusätzlichen Dimension (in Form eines Skalarfelds) die Informationen der Infrarotkamera. Für die Studie wurden der Lumiscan X und eine Infrarotkamera – zum Einsatz kam die iRSX336 von Automation Technology – in einer bekannten geometrischen Beziehung zueinander montiert. Für ein eindeutiges Ergebnis der Transformation von Tiefenbild in Thermobild wurden die optischen Achsen beider Kameras parallel ausgerichtet.

Das 3D-Thermografiesystem findet allerdings nicht für alle Pixel beider Kameras gültige Paare von Tiefeninformation und Temperaturinformation. Dies führt zu einem verkleinerten effektiven Sichtfeld des kombinierten Systems.

Die Prüfung: Verhalten des Composite-Materials bei Hitze

Doch wie schlägt sich das wissenschaftliche Konzept in der Praxis? Dafür untersuchte das Fraunhofer IGCV ein hybrides Bauteil aus CFK und Stahl mit dem zuvor vorgestellten System. Das Prüfteil besteht aus einer CFK-Platte, die im Automated Fiber Placement (AFP) Verfahren hergestellt wurde. Zusätzlich zu Formoberfläche befindet sich ein Stahlrahmen auf der Rückseite des Bauteils. Dieser verleiht der Struktur die notwendige Steifigkeit.

Im Vergleich zu vollständig aus Metall hergestellten Bauteilen ist das Hybrid-Bauteil leichter. Für unterschiedliche Anwendungen entlang der Prozesskette werden aktuell solche Ansätze für Kombinationen aus unterschiedlichen Materialien untersucht. Der Einsatz von kleineren, modular zusammensetzbaren Elementen verringert zum einen das Gesamtgewicht des zusammengesetzten Bauteils, und zum anderen lassen sich vielfältige Bauteile aus Standardkomponenten zusammensetzen. Dies erhöht die Flexibilität und verringert die Herstellungskosten.

Um ein solches Segment herzustellen, wird der Stahlrahmen auf das nicht ausgehärtete Laminat aufgesetzt und die Flansche des Rahmens mit zusätzlichen Laminatlagen aus Glasfasergewebe-Prepreg überdeckt. Anschließend härtet das Laminat mit dem integrierten Rahmen in einem Vakuumsack im Ofen aus (Co-Bonding). Da sich der Stahl sowie der kohlenstofffaserverstärkte Kunststoff bei Wärme unterschiedlich stark ausdehnen, besteht bei Temperaturveränderungen die Gefahr von Spannungen im Bauteil. Im schlimmsten Fall verformen die entstehenden Kräfte das Bauteil und machen es unbrauchbar. Um diese Veränderung auszuschließen, kommt das 3D-Thermografieverfahren zum Einsatz: Die Einflüsse der temperaturbedingten Dehnungen sollen durch Messungen des Bauteils im kalten Zustand (bei Raumtemperatur) und nach 90 Minuten Aufheizdauer im Ofen im heißen Zustand (bei 180°C) untersucht werden.

3D-Thermografiemodell für eine kombinierte Auswertung

Nach der Aufnahme des Bauteils mit dem Messsystem wurden die Daten der beiden Bestandteile in ein kombiniertes Modell überführt. Dazu wurde die bekannte geometrischen Beziehung von Thermokamera und Tiefenkamera berechnet. Das Ergebnis ist eine Punktwolke mit zwei Informationskanälen:

  • Die ‚klassische‘ Darstellung der Oberflächentextur in Form von Graustufen;
  • die kombinierte Methode mit eingefügter Temperaturinformation.

Dabei projiziert das 3D-Modell das Temperaturprofil aus der Thermografieaufnahmen in die Punktwolke. So lassen sich durch Spannungen entstandene Verformungen des Bauteils direkt mit sich verändernden Temperaturen verknüpfen.
Bestimmte Marker aus der Szene helfen, die ersten Projektionsergebnisse zu validieren: Die Heizelemente des Ofens, die unter der Vorderkante des Bauteils hervorragen, haben im Falschfarbenbild korrekt eine erhöhte Temperatur. Ebenso erkennt man die strahlenförmigen Heizstäbe auf der linken Seite des Ofens sowohl im Thermobild als auch im ursprünglichen 3D-Modell. Das Mapping findet hier in der korrekten geometrischen Position und Lage statt. Zuletzt lässt sich die erhöhte Temperatur des Stahlrahmens auf der Rückseite des Bauteils durch die Decklage erkennen, was auch das 3D-Thermografiemodell korrekt dargestellt.

Im Fokus der Untersuchungen stand der Einfluss des Stahlrahmens auf die Decklage aus CFK. Die Messungen beinhalteten die Prüfung auf eine ebene Oberfläche der CFK-Lage sowie die Maßhaltigkeit des Bauteils an den Eckpunkten und Mittelpunkten der Bauteilkanten. Das Fraunhofer IGCV führte diese Prüfungen händisch mit der Open Source Software Cloud Compare durch. Dabei zeigte sich: Für beide Kenngrößen konnten keine signifikanten Abweichungen zum Bauteil bei Raumtemperatur festgestellt werden. Weitere Untersuchungen des Herstellungs- und Aushärteverfahrens sollen die Prozessstabilität bestätigen. 

Weitere Einsatzmöglichkeiten und Entwicklungen

Der kombinierte Einsatz von Messsystemen bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten für die Bereiche Qualitätssicherung, Handling/Manipulation und Prozesssteuerung. Durch die Fusion von Daten aus unterschiedlichen Quellen und Kombination der Ergebnisse in einer gemeinsamen Darstellung können Algorithmen die Stärken der Systeme direkt darstellen. Ein derartiges kombiniertes System kann nicht sichtbare Defekte indirekt über NDT-Methoden feststellen. In der Praxis gibt es dafür verschiedene Zwecke:

Beim Handhaben von Bauteilen kann bei der Berechnung der Greiferpositionen für Bauteile die Temperaturverteilung mit berücksichtigt werden, um eine ungewollte Verformung durch das Greifen oder die Manipulation zu verhindern.
Führt man verschiedene Informationen in einem Datenmodell zusammen, werden Korrelationen zwischen verschiedenen Bauteileigenschaften deutlich. So lässt sich die Maßhaltigkeit mit indirekt bestimmten Größen wie Stoffzusammensetzung verbinden, um die Prozessparameter für nachfolgende Bauteile anzupassen und so zu stabileren Prozessen und weniger Ausschuss führen.

Der Einsatz eines solchen kombinierten Messsystems bietet Anwendern hybrider Materialien damit eine höhere Prozesssicherheit und hilft, deren Einsatz gewinnbringend voranzutreiben.

Autor
Maximilian Eberhardt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Gruppe „Online-Prozess-Monitoring“, Fraunhofer IGCV

Contact

HD Vision Systems GmbH

Carl-Friedrich-Gauß-Ring 5
69124 Heidelberg
Germany

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