Kuchen schnell und präzise handhaben
Die Firma Coppenrath und Wiese ist bekannt für hochwertige, industriell hergestellte Konditorwaren. Hierbei kommt viel Sahne zum Einsatz, ein wohlschmeckendes, aber fragiles Material, wenn man es mit den Augen eines Automatisierers betrachtet. Sahne-dekorierte Kuchenstücke mittels Roboter zu handhaben ist ein Vorgang, der viel Sorgfalt und Know-how erfordert.



Die Conditorei Coppenrath und Wiese trat an die Bildverarbeitungsspezialisten von ISW heran, als sie eine Lösung suchte, gefrorene, sahne- und fruchtdekorierte Kuchenstücke in hoher Taktzahl vom Produktionsband auf abführende Bänder umzusetzen, um sie in dann die Verpackungen zu überführen. Nachdem sich ISW von der grundsätzlichen Machbarkeit überzeugt hatte, ging das Unternehmen ans Werk: Die Herausforderung war, die rechteckigen Kuchenstücke sicher zu erkennen, und zwar sowohl als Teil wie auch am jeweiligen Ort. Denn die Teile kommen nicht in geregelter Reihenfolge von der vorgeschalteten Maschine, sondern ungeregelt, gegebenenfalls in größeren Konglomeraten, dann wieder vereinzelt. Immer aber mit einer Transportgeschwindigkeit von knapp 10 m/min. Außerdem werden sie auch nicht gerichtet transportiert, sondern jedes Stück kann seine eigene Drehlage haben.
Coppenrath & Wiese dachte an 3D-Sensoren, um das Problem zu lösen. Das war vorstellbar, allerdings drangen die zur Messung verwendeten Laserstrahlen in die Kuchenstücke ein und lieferten somit keine verlässlichen Werte.
Kamera schlägt 3D-Lasersensor
Also entschied sich ISW für eine Kameralösung. Der erste Schritt war nun, eine passende Beleuchtung zu finden, damit die Kamera die Produkte sicher erkennen konnte. Nach den umfangreichen Vorversuchen im ISW-Labor machten die Bildverarbeitungsprofis eine Wellenlänge ausfindig, die das Transportband dursichtig erscheinen lässt. Dadurch ließ sich die Beleuchtung unterhalb des Transportbandes montieren, die Kamera oberhalb. Aus Sicht der Kamera erscheinen die Kuchenstücke dann schwarz auf weiß und lassen sich somit prozesssicher segmentieren.
Da es für diese Anforderung keine Beleuchtung aus dem Regal gibt, konnte ISW zum wiederholten Mal die Firma Effilux für eine Sonderentwicklung gewinnen, die zum einen die technische Anforderung erfüllt, zum anderen den Umgebungsanforderungen (Lebensmittel, Temperatur, Reinigung, IP-Schutz etc.) gerecht wird.

Holz-Dummys statt Schwarzwälder Kirsch
Im nächsten Schritt musste die orts- und drehlagenabhängige Erkennung sichergestellt werden, damit der aufnehmende Roboter sich später richtig positionieren und seinen Greifer exakt ausrichten kann. Ansonsten käme es zu Fehlgriffen oder gar dem Zerdrücken der Produkte, also Ausschuss. Deshalb verwendete ISW von Coppenrath und Wiese hergestellte maßgerechte Kuchenstücke aus Holz, um sich damit das Erkennen und die zugehörigen Aktivitäten (Produkt- und Reinigungsaufwand) zu erarbeiten, ohne Unmengen an zermatschten Tortenstücken zu produzieren.
Im Rahmen der Bildverarbeitung programmierte ISW wie üblich die Software samt grafischer Bedienoberfläche (GUI) selbst. Hierbei kommen auch Tools aus der Halcon-Bildverarbeitungsbibliothek von MVTec zum Einsatz. Zum Greifen und Umsetzen des Kuchens griff ISW auf Stäubli-Roboter des Typss TP 80 zurück. Abhängig von der Länge der Linie kommen zehn und mehr Geräte zum Einsatz.
Millimetergenau und schonend greifen
Nachdem die grundlegende Technik geklärt war und das Konzept stand, ging es im nächsten Schritt darum, die Bilderkennungs- und die Steuerungs-Software der Roboter miteinander vertraut zu machen. Bildlich gesprochen bedeutet das, zwei Personen, die verschiedene Sprachen sprechen, so aufeinander abzustimmen, dass der eine genau weiß, was der andere tut und wo er sich gerade aufhält. Dann funktioniert das Übernehmen der Ortsdaten aus der Bildverarbeitung durch die Roboter, die Teile werden millimetergenau und schonend gegriffen und zum Ablageort transportiert.
Der Entwicklungsprozess der späteren Anlage wurde mit echtem Kuchen beziehungsweise durch entsprechend gute Planung während des Aufbaus eingeleitet und wuchs mit dem Projektfortschritt. Die fertige Anlage läuft seit der Inbetriebnahme zur vollen Zufriedenheit des Kunden im Produktionsrhythmus. Ausdruck der Zufriedenheit ist auch, dass mittlerweile eine zweite Anlage für ein anderes Produkt mit entsprechend anderen Robotersystemen in Betrieb genommen wurde und ebenfalls klaglos ihren Dienst verrichtet.
Autor
Stefan Tukac, Prokurist Vertrieb und Applikation bei ISW
Anbieter
ISW GmbHFarmers Ring 1
25337 Kölln-Reisiek
Deutschland
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