Bildverarbeitung

Software ermöglicht Roboter treffsicher zuzugreifen

Pick & Place-Applikation mit Bildverarbeitung

01.03.2023 - Auch Roboter greifen zu Schokoriegeln. Warum, erfahren Sie hier.

Roboterbasierte Pick & Place-Applikationen sind gerade für die Lebens­mittelindustrie aufgrund der hohen Teile-Vielfalt schwierig umzusetzen. Anlagenbau Habeck hat nun eine solche Anlage auf Basis von Machine ­Vision entwickelt. Mithilfe einer einfach zu bedienenden Bildverarbeitungs-Software greifen Roboter zuverlässig unterschiedlich geformte Gegenstände von einem Förderband sicher auf.

Die industrielle Bildverarbeitung (Machine Vision) kommt zunehmend im Rahmen von Robotik-Applika­tionen zum Einsatz. Entsprechende Machine-Vision-Software ist in der Lage, die automatisierten Prozesse von Industrierobotern effizienter und einfacher zu gestalten. Entsprechende Lösungen können auch dann umgesetzt werden, wenn komplex strukturierte oder ungeordnet liegende Objekte erkannt, lokalisiert und gegriffen werden müssen. In diesem Fall entfaltet die industrielle Bildverarbeitung ihre besonderen Vorteile. Genau darum geht es auch in dem Anwendungsszenario von Anlagenbau Habeck: Das 1988 gegründete Maschinenbau-Unternehmen mit Hauptsitz im niedersächsischen Ostercappeln hat sich auf die Konzeptionierung, Konstruktion und Fertigung von Sonder­maschinen und Roboteranlagen spezialisiert.

Ungeordnet liegende Produkte sicher greifen

Das Unternehmen hat eine automatisierte Pick & Place-Roboter-Applikation für die Lebensmittelindustrie entwickelt. Ziel ist es, dem breiten Kundenspektrum eine schlüsselfertige Lösung anzubieten, die flexibel zur Bearbeitung verschiedener Waren eingesetzt werden kann. Beispiel Lebensmittelindustrie: Hier gleicht häufig nicht ein Produkt dem anderen, etwa Kartoffeln. Genau dieser geforderten Flexibilität kommt die auf Machine Vision setzende Applikation nach. Konkret kommt die Easy-to-use-Bildverarbeitungs-Software Merlic von MVTec Software zum Einsatz. MVTec ist ein führender internationaler Software-Hersteller für die industrielle Bildverarbeitung mit Sitz in München.

Die Aufgabe der Applikation ist es, nicht ausgerichtete Produkte aus der Lebensmittelindustrie mit möglichst hoher Taktleistung sicher zu greifen und für den weiteren Produktionsprozess präzise abzulegen. „Eine zentrale Anforderung für uns war es, bewusst keine proprietäre Lösung für Kunden anzubieten, sondern mehr Unabhängigkeit sowie eine herstellerübergreifende Kompatibilität zu erreichen. Für die größtmögliche Flexibilität in der kundenspezifischen Anpassung haben wir uns für ein frei wählbares Kommunikationsprotokoll entschieden“, erinnert sich Johannes Großehagenbrock, Projektleiter bei Anlagenbau Habeck. Die­ ­Besonderheit der neu entwickelten Anlage liegt darin, dass Produkte – beispielsweise Schokoriegel – unsortiert und kreuz und quer auf dem Förderband verteilt liegen, wenn sie dem Roboterpackbereich zuge­führt werden. „Aus unserer Sicht führt in diesem Einsatzszenario kein Weg an Machine
Vision vorbei. Denn die Bildverarbeitungs-Software muss dem Roboter die exakten Koordinaten der Objekte übermitteln, sodass dieser zielgerichtet zugreifen kann. Merlic erfüllt genau diese Anforderungen. Außerdem kann die Software auch ohne Programmierkenntnisse bedient werden und gleichzeitig ist sie in der Lage ist, auch anspruchsvolle Tätigkeiten zu bewerkstelligen“, ergänzt der Projektleiter.

20 Schokoriegel sicher vom Band greifen

Im Rahmen der Anwendung werden die zu greifenden Schokoriegel ungeordnet auf dem Einlaufband in den Arbeitsbereich des Roboters bewegt. Dabei variiert die Anzahl der Objekte zwischen 0 und 20, wobei abhängig von der Losgröße auch eine höhere Menge möglich ist. Die Produkte werden mit gleichbleibender Geschwindigkeit auf dem Transportband in den Arbeitsbereich des Roboters ­befördert. In einem von Fremdlicht abgeschirmten Turm ist die Kamera und die LED-Panel-Beleuchtung installiert. Der Roboter aktiviert synchron zum Bandvorlauf den Bildeinzug. Das stellt sicher, dass die komplette Fläche des laufenden Bandes und jedes Produkt mindestens einmal vom Bildverarbeitungssystem erfasst wird. Durch einen am Gurtförderband verbauten Inkrementaldrehgeber kann das Roboterprogramm die fortlaufende Bandposition in Millimetern mitzählen.

Automatisiertes Handling nach dem First-in/First-out-Prinzip

Das Machine-Vision-System kommuniziert via User Datagram Protocol (UDP) mit dem Roboter. Dabei übermittelt es die präzisen Positionsdaten über ein eigens entwickeltes Plugin, welches das Kommunikationsprotokoll mit dem Roboter abbildet. Sobald die Objekte in dessen Arbeitsbereich gelangen, beginnt er mit dem Handling. Dabei gilt das First-in/First-out-Prinzip: Der Roboter nimmt den Gegenstand als erstes auf, der sich in Bandlaufrichtung am weitesten vorne und noch in seinem Einflussbereich befindet, und deponiert ihn am Ablageort. Dabei werden die Koordinatensysteme der Machine-Vision-Software Merlic und des Roboters aufeinander abgestimmt. So entsprechen die Vision-Koordinaten exakt dem eingelernten Arbeitsbereich des Roboters. Zudem wird der Abstand zwischen dem Nullpunkt vom Machine-Vision-System zum Roboter einmalig während der Installation der Anlage ausgemessen. So ist die einfache Inbetriebnahme die zuverlässigen Zusammenarbeit zwischen Roboter und der Bildverarbeitungs-Software gewährleistet.

Als zentrale Hardware-Komponente kommt in dem Systemaufbau ein Deltaroboter zum Einsatz. Als Anlagesteuerung wird eine industrieübliche, fehlersichere Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) verwendet. Bedient wird das System mittels Industrie-PC mit Touchscreen. Das Robotergestell, die Einhausung sowie das Ein- und Auslaufband hat die Firma Anlagenbau Habeck in Eigenregie konzipiert und installiert. Der Bildeinzug schließlich stammt von einer GigE-Vision-Kamera von Imaging Source.

Starre Strukturen mit dynamischen Datenquellen kombinieren

„Eine besondere Herausforderung bei der Umsetzung des Projekts bestand darin, starre Strukturen wie etwa Industrieroboter und statisch programmierte Steuerungssysteme mit dynamischen Datenquellen wie Machine-Vision-Lösungen nahtlos zu kombinieren“, erklärt Großehagenbrock. Dabei ist der Projektleiter durch den Einsatz zahlreicher Bilderfassungssysteme in den eigenen Anlagen auf die Machine-Vision-Standardsoftware von MVTec aufmerksam geworden: „Wir ­haben festgestellt, dass in Systemen häufig die Software-Bibliotheken von MVTec im Hintergrund laufen. Das hat uns gut gefallen und uns neugierig auf das weitere Leistungsportfolio des Unternehmens gemacht“, bestätigt der Robotikexperte.

Die Bildverarbeitungs-Software Merlic von MVTec übernimmt in der beschriebenen Pick & Place-Anwendung wichtige Aufgaben: Die von Anlagenbau Habeck eingesetzten Industrieroboter brauchen präzise Informa­tionen über die Position und Ausrichtung der zu bearbeitenden Produkte. „Häufig lassen sich die Herausforderungen einer Applikation nicht durch feste und wiederholbare Programmierungen wie etwa immer wiederkehrende Verfahrbewegungen adressieren. In diesem Fall benötigen wir zwingend ein leistungsfähiges Machine-Vision-System, das quasi als Augenersatz für den Roboter dient. Auf diese Weise kann dieser flexibel auf sich ändernde Variablen in der Umgebung reagieren“, weiß Großehagenbrock. Zum Einsatz kommt dabei das Merlic Tool „Mit Matching lokalisieren“. Diese Matching-Technologie findet Objekte präzise, robust und schnell. Das funktioniert sogar unter erschwerten Bedingungen, zum Beispiel bei Konturen, die rotiert, skaliert, perspektivisch verzerrt, teilweise überdeckt oder außerhalb des Bildes liegen. Die jeweiligen Objekte lassen sich anhand von Bildvorlagen oder wie in diesem Fall einfach an einem Refernzbild trainieren.

Herstellerunabhängige Lösung mit hohem Bedienkomfort

Seit April 2022 ist die Pick & Place-Anwendung von Anlagenbau Habeck fertig entwickelt. „Mit dieser Anlage lässt sich der Projektierungsaufwand bei der Einrichtung einer zukünftigen Kundenanlage inklusive Machine-Vision-System deutlich reduzieren. Gerade die intuitive Kombination aller relevanten Bestandteile der industriellen Bildverarbeitung bei Merlic vom Bildeinzug über Visualiserung bis hin zur Kommunikation bietet dem Kunden die größtmögliche Benutzerfreundlichkeit“, konstatiert Großehagenbrock. Darüber hinaus konnte das Unternehmen seine strategischen Ziele in vollem Umfang erreichen. „Machine Vision ist ein wesentlicher Bestandteil, um die Automatisierung in allen Industriebereichen weiter voranzutreiben. Prozesse mit schwankenden oder sich dynamisch verändernden Umgebungsvariablen werden aktuell in vielen Bereichen noch durch menschliche Mitarbeiter durchgeführt. Robotik und Machine Vision bieten hier Möglichkeiten, die Abläufe weiter zu automatisieren und die Wettbewerbsfähigkeit weiter zu erhöhen.“, so das Resümee des Projektverantwortlichen.

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