Automatisierung

Radartechnik für den Wasser- und Abwasserbereich

04.06.2013 -

Radarsensoren ersetzen in der Wasser- und Abwasserbranche mehr und mehr die bisher etablierte Ultraschalltechnik. Sie erfassen berührungslos Füllhöhen und Pegelstände oder messen den Durchfluss in offenen Gerinnen. Wo die Vorteile von ­Radartechnik gegenüber Ultraschallsensoren liegen, macht ein Vergleich der beiden berührungslosen Messprinzipien deutlich.

Bei Ultraschallsensoren werden die kurzen Impulse durch einen piezoelektrischen Schallwandler erzeugt, der in einem Frequenzbereich von 50 bis 70 kHz arbeitet. Die Signale werden vom Medium reflektiert und von demselben Schallwandler wieder empfangen. Die Signallaufzeit ist dabei proportional zur Distanz, sodass die Füllhöhe errechnet werden kann. Da sich Schallwellen relativ langsam ausbreiten, ist der Aufwand für die Messung der Signallaufzeiten verhältnismäßig gering. Das Know-how steckt vor allem im optimalen Aufbau des Schallwandlers und der Si­gnalverarbeitung.
Die Funktionsweise von Radarsensoren ähnelt prinzipiell der von Ultraschallgeräten. Allerdings liegt die Herausforderung hier in der Erzeugung der hochfrequenten Radarsignale von rund 25 GHz und der Messung der kurzen Signallaufzeiten. Da sich die Mikrowellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, müssen Zeiten von wenigen Nanosekunden exakt gemessen werden. Durch ein spezielles Auswerteverfahren ist eine hohe Genauigkeit möglich und die Füllstände werden mit einer Präzision von wenigen Millimetern erfasst.

Einflussfaktoren auf die Messverfahren

Wegen den physikalischen Unterschieden der beiden Messprinzipien wirken sich Einflüsse durch die Prozess- und Umgebungsbedingungen sowie das Medium unterschiedlich aus. Wobei Schallwellen deutlich stärkeren Einflüssen unterworfen sind als die Radarsignale. Deshalb sind bei Ultraschallgeräten wesentlich größere Auswirkungen auf die Messgenauigkeit zu erwarten.
Starke Temperaturschwankungen machen sich bei Ultraschallsensoren bemerkbar. Da sich die Ausbreitung der Schallwellen bei einer Temperaturänderung von 10 °C um etwa 1,6 Prozent ändert, ist es notwendig, die Umgebungstemperatur zu messen und diesen Messfehler zu kompensieren. Die Temperaturmessung erfolgt üblicherweise durch einen im Schallwandler integrierten Temperaturfühler. Scheint die Sonne auf den oft schwarzen Sensor, wird der Schallwandler erwärmt und die Temperaturkompensation passt nicht mehr - es entstehen Messfehler von mehreren Prozent.

Da sich Radarsignale praktisch unabhängig von Temperatureinflüssen ausbreiten, bleibt hier die Genauigkeit unter allen Umgebungsbedingungen erhalten.
Da es sich bei den Schallwellen um eine mechanische Bewegung der Luftmoleküle handelt, reduzieren viele Einflüsse auf dieses „Transportmedium" die Intensität des Schallsignals. So tragen starke Luftströmungen die Schallsignale weg und beeinflussen die Messsicherheit. Bei Anwendungen im Vakuumbereich sind immer weniger Luftmoleküle vorhanden, sodass die Übertragung der Schallsignale immer schwieriger wird und letztendlich nicht mehr möglich ist. Dampf, Nebel, Regen oder Schneefall dämpfen die hochfrequenten Schallwellen und reduzieren die Signalstärke. Bei Radartechnik hingegen werden die elektromagnetischen Wellen von Luftbewegungen, Dampf, Regen oder Schneefall nicht beeinflusst. Selbst bei Vakuum oder bei Druckänderungen in geschlossenen Systemen bleiben die Messergebnisse stabil.

Vor allem bei der Montage von Sensoren in geschlossenen Systemen, aber auch im Freien lagert sich Kondensat ab, was eine optimale Anpassung der Schallwandler von Ultraschallgeräten beeinflusst. In der Praxis verlängert dies die übliche Blockdistanz im Nahbereich der Sensoren und reduziert die Schallleistung. Zwar werden auch Radarsignale durch Kondensat beeinflusst, doch durch den mechanischen Aufbau der Antennensysteme kann die Feuchtigkeit an den konischen Flächen leicht ablaufen, sodass hier der Einfluss geringer ist als bei Ultraschallsensoren.

Ein weiteres Kriterium für den Vergleich von Ultraschall und Radar ist auch das zu messende Medium in dieser Branche: Wasser. Wasser ist das ideale Medium für die Radartechnik. Da aufgrund der guten Leitfähigkeit und der dielektrischen Eigenschaften Radarsignale optimal reflektiert werden, wird eine sehr hohe Messsicherheit erreicht. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie stark die Reflexion der verschiedenen Signale von Wellenbewegung oder Schaum auf der Oberfläche beeinflusst wird. Durch eine unruhige Oberfläche wird ein Teil der Signale zur Seite weggespiegelt. Von Ultraschallsensoren werden pro Sekunde zwei bis vier Schallimpulse abgestrahlt, während bei Puls-Radarsensoren pro Sekunde bis über drei Millionen Pulse ausgesendet werden. Das bedeutet, dass die Anzahl der Signale, die wieder zum Empfänger gelangen, bei Radarsensoren deutlich höher ist und so eine höhere Messsicherheit entsteht.

Zuverlässig messen mit Radartechnik 

Bei Schaumbildung auf der Oberfläche der Medien werden die Schallwellen stark absorbiert oder an der Schaumoberfläche reflektiert, was das Messsignal verfälscht. Radarsignale werden je nach Schaumkonsistenz mehr oder weniger stark gedämpft, im Allgemeinen wird aber die Wasseroberfläche sicher erfasst. Durch neue Mikrowellenkomponenten wurde die Empfindlichkeit der Sensoren, also die Möglichkeit, sehr kleine Signale zu erfassen, in den vergangenen Jahren gesteigert. So ist mit Radartechnik, heute auch bei Schaumbildung auf dem Medium, eine zuverlässige Messung möglich.Bei der Modernisierung eines Regenüberlaufbeckens setzt die Kläranlage Waiblingen-Hegnach auf die Radarmesstechnik von Vega. Radarsensoren überwachen hier zuverlässig Regenbecken, Kanalnetze und Abwasserkanäle. Unter den Sensoren gesponnene Spinnennetze sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Messunsicherheiten bei der Füllstandmessung auf Basis von Ultraschall. Doch nicht nur Tiere, auch Schaum oder Sonneneinstrahlung können eine Ultraschallmessung negativ beeinflussen.

Im Zuge der Modernisierung des Regenüberlaufbeckens wurden daher an drei Messstellen Radarfüllstandsensoren des Typs Vegapuls WL 61 eingesetzt, die seit Mai 2011 zuverlässige und stabile Messwerte liefern. Neben der Zuverlässigkeit überzeugte, dass sich Radarmessgeräte preislich nur wenig von Ultraschallgeräten unterscheiden. Alle Anlagenteile sind über ein Leitsystem angeschlossen, sodass das Team der Kläranlage jederzeit darauf zugreifen kann.

Übers Handy ins Leitsystem

Das Regenüberlaufbecken, eines von insgesamt 13, befindet sich fünf Kilometer von der Kläranlage entfernt. An drei Stellen kommen die Radarsensoren zum Einsatz. Ihre Daten werden jede halbe Stunde über das Handynetz an das Leitsystem gefunkt. Alle Geräte besitzen eine Ex-Zulassung, da sich auch Kraftstoff oder Lösemittel im Abwasser befinden können. Der erste Einsatzort befindet sich im offenen Regenüberlaufbecken, wo das Gerät den Pegel im Becken überwacht und gegebenenfalls die Entleerungspumpen in Betrieb setzt. Im benachbarten Schmutzwasserpumpwerk wurde ein weiteres Messgerät im Pumpenschacht installiert. Das dritte Gerät befindet sich in einiger Entfernung mitten in einer Wiese, wo eine Wirbeldrossel den Abfluss in die Kanalstrecke regelt. Üblicherweise fließt der Hauptteil der Wassermenge am Becken vorbei. Erst wenn beispielsweise bei Starkregen der Regenwasserabfluss um ein Mehrfaches des Schmutzwasserabflusses ansteigt, kommen die Regenüberlaufbecken zum Einsatz. Sie puffern das Schmutzwasser und entlasten die Kläranlage. Der während des Regens gespeicherte Beckeninhalt wird zeitversetzt nach dem Regenereignis zum Klärwerk weitergeleitet. Die Wirbeldrossel muss also einwandfrei funktionieren. In der Vergangenheit musste ein Mitarbeiter stets nachschauen, ob es sich wirklich um eine Verstopfung handelte oder doch nur wieder eine Spinne ihr Netz unter dem Schallwandler gebaut hatte. Nun erledigt diese Arbeiten ein weiteres Radarfüllstandmessgerät.

Kontakt

VEGA Grieshaber KG

Am Hohenstein 113
77761 Schiltach
Deutschland

+49 7836 50 0

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