Leitungen mit höherem Querschnitt – die nachhaltigere Option?
14.04.2025 - Lapp hat in einer aktuellen Untersuchung herausgefunden, dass Leitungen mit größerem Querschnitt eine nachhaltigere und kosteneffizientere Option darstellen
Schon während seiner Ausbildung zum Mechatroniker bekam Maximilian Christians einen Satz immer wieder zu hören: „Wenn Du den Motor anschließt, nimm einfach die dünnste Leitung – das ist billiger und reicht aus.“ Doch schon damals fragte er sich: Ist weniger wirklich immer besser? Denn auch wenn dünnere Leitungen auf den ersten Blick durch ihren geringeren Materialverbrauch überzeugen, führen sie zu erhöhten Leistungsverlusten – was sich langfristig negativ auf die Betriebskosten auswirkt. Nach seinem Maschinenbaustudium widmete sich Christians dieser Fragestellung erneut. Heute arbeitet er als Research Engineer Advanced Technology bei Lapp – dem Weltmarktführer für integrierte Lösungen und Markenprodukte in der Kabel- und Verbindungstechnologie.
Heute weiß er: Die gängige Faustregel „dünnere Leitung gleich weniger Material und somit niedrigere Kosten“ greift zu kurz. Seine Forschung zum Thema Nachhaltigkeit ergab: Auch wenn Leitungen mit größerem Querschnitt in der Herstellung einen höheren Materialeinsatz bewirken und daher initial mehr kosten, können sie durch geringere Leistungsverluste über den Lebenszyklus hinweg Emissions- und Energiekosten sparen. „In einer Zukunft, die von einem nachhaltigen Wandel geprägt ist, können steigende Energiepreise und CO₂-Abgaben zu einem entscheidenden Faktor für effiziente und nachhaltige Entscheidungen werden“, erklärt Maximilian Christians.
Leitungen mit höherem Querschnitt sparen Energie
Von Beginn an war klar: Eine dünnere Leitung erzeugt durch ihren höheren elektrischen Widerstand mehr Wärme, was zu vermeidbarem Leistungsverlust führt. Je dicker die Leitung, desto geringer dieser Widerstand – der Strom kann ungehindert fließen, ohne dass ein großer Teil der Energie in Wärme umgewandelt wird. Das ist besonders relevant für industrielle Anwendungen, in denen hohe Ströme fließen und dadurch der Leistungsverlust mit steigender Belastung überproportional zunimmt. Leitungen mit größerem Querschnitt sparen daher nicht nur Energie, sondern reduzieren auch die Erwärmung der Verbindung und verbessern dadurch die Betriebssicherheit und Lebensdauer der gesamten Konfiguration.
Allerdings erfordert eine Leitung mit größerem Querschnitt mehr Ressourcen wie Kupfer, was die initialen Herstellungs- und Anschaffungskosten erhöht und zunächst zu höheren CO2-Emissionen führt als bei einer dünneren Leitung. „Die Lösung kann vor diesem Hintergrund nicht sein: Wir nehmen die dünnste Leitung, um den Geldbeutel zu schonen, oder die dickste, um das Klima zu schützen“, betont Maximilian Christians. „Vielmehr geht es darum, das optimale Verhältnis zu kalkulieren. Als Teil des Vorentwicklungs-Teams von Lapp konnte ich endlich eine fundierte Methode dafür entwickeln.“
Berechnungsmethode für optimales Verhältnis
Maximilian Christians entwickelte eine Berechnungsmethode, die neben den Anschaffungskosten auch die Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer der Leitung – die sogenannte Total Cost of Ownership (TCO) – berücksichtigt. Seine Untersuchungen zeigen, dass der rein normgerechte Mindestquerschnitt häufig nicht die wirtschaftlich und ökologisch optimale Wahl ist. Zum Beispiel liegt bei einer Leitungslänge von 50 Metern und einem dreiphasigen Netz bei 16 A Nennstrom der normgerechte Mindestquerschnitt bei 2,5 mm². Betrachtet man jedoch die langfristigen Energiekosten, wäre ein Durchschnitt von 6 mm² die wirtschaftlichere Wahl. Wird zusätzlich die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, ergibt sich mit einem noch größeren Querschnitt von 16 mm² die nachhaltigste Lösung. Der optimale Leitungsdurchschnitt hängt somit von mehreren Faktoren ab, wie dem Nennstrom, der Nutzungsdauer und dem Strommix. „Hierauf sollten Unternehmen bei der Auswahl ihrer Leitungen achten“, erklärt Maximilian Christians. „Schon heute kann eine fundierte Entscheidung über den optimalen Leiterquerschnitt erhebliche Einsparungen von CO2-Emissionen und Kosten bringen.”
Nachhaltigkeit ist Fokusthema bei Lapp
Die Wahl des optimalen Leitungsquerschnitts ist einer von vielen Nachhaltigkeits-Hebeln bei Lapp. Auf der Hannover Messe zeigt Lapp, wie die Wahl des optimalen Leitungsquerschnitts zur CO2-Reduktion und Kosteneffizienz beitragen kann. Denn die richtige Kabeldimensionierung ist für viele Maschinenbauer bislang ein unterschätzter Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen. Maximilian Christians ist überzeugt, dass Lapp mit diesem Thema auf großes Interesse stoßen wird: „Es ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. Die langfristige Reduktion von Energiekosten bedeutet gleichzeitig eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen.”
Da echte Nachhaltigkeit nur durch transparente und belastbare Daten greifbar wird, hat Lapp seine Forschungsergebnisse in einen Emissions- und TCO-Lebenszyklus-Rechner überführt. Das Tool hilft dabei, individuelle Anforderungen präzise zu analysieren und den passenden Leitungsquerschnitt zu bestimmen – eine verlässliche Grundlage für Entscheidungen, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich überzeugen. Für Maximilian Christians steht fest: „Dieses Konzept ist ein Baustein der umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie von Lapp, mit dem wir unsere Vorreiterrolle in der Branche weiter ausbauen.“
Ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg ist die Einführung des Product Carbon Footprint (PCF). Er macht die CO₂-Emissionen entlang des gesamten Produktlebenszyklus sichtbar – von der Rohstoffgewinnung über die Fertigung bis zur Logistik. Parallel dazu arbeitet man bei Lapp kontinuierlich an neuen, nachhaltigen Materialien. Beispiele dafür sind die biobasierte Datenleitung Etherline bioP Cat.5e sowie die Epic Steckverbinder aus biobasierten Kunststoffen, die den Einsatz fossiler Ressourcen deutlich reduzieren. „Nachhaltigkeit steckt in der DNS von Lapp – das merkt man in vielen Bereichen“, sagt Maximilian Christians. „Von der Vorentwicklung am Standort Stuttgart über die Entwicklung und Fertigung bis hin zu unserer Logistik, wo Lapp mit optimierten Versandwegen und zum Teil recyceltem Verpackungsmaterial Emissionen senkt.“ Lächelnd fügt er hinzu: „Und mich persönlich freut es, dass ich meinen früheren Meistern heute mit Zahlen belegen kann, dass die dünnste Leitung nicht immer die beste Wahl ist.“