Automatisierung

„Nichts verbauen und auf Offenheit setzen“

04.04.2025 - Im Gespräch: Daniel Lindemann, Vice President Automation Systems bei Lenze

Im Länderranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit landete Deutschland laut Statista vergangenes Jahr auf Platz 23. Das heißt die digitale Transformation hat begonnen – mit jeder Menge Luft nach oben. Wie Lenze seine Kunden bei der Digitalisierung unterstützt, wie Herausforderungen bewältigt werden können und warum Offenheit essentiell ist, darüber sprechen wir mit Daniel Lindemann.  

 

Wie unterstützt Lenze seine Kunden beim Übergang zur digitalen Transformation?

Daniel Lindemann: Lenze verfolgt das Ziel, Maschinen und Anlagen produktiver zu machen. Deshalb unterstützen wir unsere Kunden bei der digitalen Transformation. Dabei begleiten wir sie mit unserem eigens dafür entwickelte Programm „In fünf Schritten zu Digitalisierung“ von den ersten Gehversuchen mit IT-basierten Elementen bis hin zur Digitalisierung komplexen Prozess-Know-hows. Wir sind davon überzeugt, dass die besten Ideen in Zusammenarbeit entstehen. In unserem digitalen Innovationslabor Dock One im Digital Hub Industry in Bremen bieten wir deshalb zusätzlich Digitalisierungs-Workshops an, die von der Ideenfindung über Geschäftsmodell-Entwicklung bis hin zum Prototyping reichen. Kollaborativ entwickeln wir die für unsere Kunden passende Digitalisierungsstrategie. 

Seit etwa zwei Jahren sehen wir eine steigende Nachfrage nach Digitalisierungslösungen rund um Maschinen. Kunden suchen nach konkreten Lösungen, die einen konkreten Nutzen bieten. Ein Beispiel dafür ist, wie sie aus Daten Erkenntnisse über den aktuellen und zukünftigen Betriebszustand gewinnen können. Dabei sollen die Maschinenbetreiber nicht mit Digitalisierung überfrachtet, sondern beim Betrieb einfach, wie selbstverständlich unterstützt werden. Lenze bietet Antriebslösungen, die ohne zusätzliche Sensorik relevante Daten liefern. Diese werden von hauseigenen KI-Apps ausgewertet, um Rückschlüsse auf den Zustand der mechanischen Komponenten einer Maschine zu ziehen. 


Welche Rolle spielen digitale Zwillinge und Smart Data in Ihren Automatisierungslösungen?

Daniel Lindemann: Durch die Kombination von digitalen Zwillingen und Smart Data können Unternehmen ihre Automatisierungslösungen effizienter und zuverlässiger gestalten. Richtig eingesetzt lassen sich damit Prozesse der Maschine optimieren, Produktionsausfälle verhindern, Stillstände schnell beheben und die Gesamtleistung von Maschinen steigern. 
In den Automatisierungslösungen von Lenze spielt beides eine zentrale Rolle. Wir nutzen den Digitalen Zwilling und Smart Data über den gesamten Lebenszyklus einer Maschine – vom Konzept über die Auslegung und Produktauswahl bis zum Betrieb und zukünftig dem Recycling. Der Digitale Zwilling wird zukünftig der zentrale Einstiegspunkt zur Maschine über den gesamten Lebenszyklus sein. Er entsteht bereits bei der Auslegung der Antriebslösung und wird konsequent um Daten angereichert. Im Betrieb generieren die Antriebslösungen von Lenze dann smarte Daten, also kompakte relevante Informationen, die über den digitalen Zwilling zugänglich gemacht werden. Hier entwickeln wir uns immer weiter und es kommt unsere neue Lenze Nupano Suite zum Tragen – hier lassen sich erste Daten generieren, sie dient als zentrale Ablage des „Maschinenprojekts“ als digitaler Zwilling und bietet später im Lebenszyklus der Maschine die Möglichkeit, das Datenmodell über Schnittstellen wie OPC UA mit realen Maschinendaten anzureichern. 


Wie integriert Lenze Softwarelösungen in bestehende Hardware-Infrastrukturen?

Daniel Lindemann: Lenze integriert Softwarelösungen nahtlos in bestehende Hardware-Infrastrukturen (auch von anderen Herstellern). Wir nutzen eine Kombination aus offenen IT-Standards, modularen Software-Architekturen und umfassenden digitalen Diensten. Diese Lösungen basieren auf offenen IT-Standards und sind in der Regel unabhängig von der bestehenden Hardware-Infrastruktur. Bei neuen Maschinen will ich alle aktuell verfügbaren Möglichkeiten einsetzen, aber auch meinen bestehenden Maschinenpark befähigen. Letzteres ist jedoch nicht ganz so einfach und nicht immer rechtfertigt sich ein Retrofit. Daher haben wir eine Möglichkeit geschaffen, zum Beispiel aus unseren Umrichtern Daten zu erhalten, ohne die bestehende Software oder die Architektur anzufassen. Das heißt konkret, dass wir ein Stück Software anbieten, dass in das Maschinennetzwerk beziehungsweise den Feldbus eingebunden wird, über interne Zugänge Daten und nach außen hin MQTT-Telegramme bereitstellt. So kann ich Algorithmen und Apps darauf aufbauen und weiterentwickeln.


Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von IT- und Automatisierungstechnologien in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)?

Daniel Lindemann: Bei der Implementierung von IT- und Automatisierungstechnologien in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sehen wir mehrere Herausforderungen. Eine der größten ist die wachsende installierte Basis im Serienmaschinenbau. Ohne ein Tool, das die Implementierung von Apps und Updates automatisiert sowie ein transparentes Release-Management übernimmt, ist es kaum möglich, den Überblick über den Softwarestatus der Maschinen im Feld zu behalten. Ein weiterer Aspekt ist fehlendes Know-how und fehlende Ressourcen alles im Alleingang zu entwickeln. Gerade im digitalen Bereich sehen wir Partnerschaften als essenziell wichtig an, denn es kommen zwei Disziplinen zusammen – IT und OT, es braucht langjähriges Wissen und Erfahrung. Auch Lenze muss sich die Frage stellen, was machen wir selbst, wo suchen wir uns Partner. 

Wichtig ist, sich nichts zu verbauen und auf Offenheit zu setzen. Das heißt erstmal, den sicheren Zugang zu Daten zu haben, Schnittstellen anzubieten und dann darauf aufzusetzen. Also klein anfangen zum Beispiel auf einem Edge-Gerät on-premise und dann auch den Weg bis in die Cloud anschauen. Wichtig ist zu erkennen, wo ich als Maschinenbauer oder auch als Automatisierer einen Mehrwert bieten kann und was Commodity ist, also was andere besser und schneller anbieten können. Ein Beispiel wäre das Thema Infrastrukturen.  

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Know-how-Schutz. Oft haben die maschinennahen IT-Services einen großen Wert, da sie direkten Einfluss auf die Produktivität der Maschinen haben. Deshalb ist es für Maschinenbauer sehr wichtig, diese Services sicher und selbständig zu implementieren und zu verwalten. 


Cyber Security ist ein aktuelles Thema. Wie schätzen Sie die Bedeutung und die Herausforderungen ein und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Ihre Kunden zu unterstützen?

Daniel Lindemann: Cyber Security stellt eine weitere Herausforderung dar, die durch europäische Regelungen wie den Cyber Resilience Act (CRA) und NIS2 immer dringlicher wird. Der CRA verpflichtet Maschinenbauer, sich intensiv mit dem Thema Cyber Security auseinanderzusetzen und Security-Konzepte für ihre Maschinen zu entwickeln. Leider fehlen heute vielerorts das nötige Know-how und die Zeit, um diese Anforderungen zu erfüllen. Daher empfehlen wir, sich zeitnah mit dem Thema auseinanderzusetzen und uns bei Fragen zu kontaktieren. Trotz dieser Herausforderungen werden Maschinenbauer IT-basierte Services entwickeln und einsetzen. Um dies erfolgreich umsetzen zu können, sind jedoch geeignete Software-Management-Tools erforderlich. Deshalb haben wir das App-Management entwickelt, ein Tool, das es Maschinenbauern ermöglicht, ohne tiefgehende IT-Kenntnisse digitale Services zu kreieren, zu skalieren und zu managen. 


Wie fördert Lenze die Zusammenarbeit und Offenheit in der Industrie, um die digitale Transformation voranzutreiben?

Daniel Lindemann: Die digitale Transformation kann nur im Zusammenschluss mit anderen erfolgreich gemeistert werden – davon sind wir überzeugt. Aus diesem Grund beteiligen wir uns an zahlreichen Initiativen und arbeiten eng mit anderen Technologieanbietern, Forschungseinrichtungen, Verbänden und Kunden zusammen. Beispiele für unser Engagement sind die Open Industry 4.0 Alliance, in der wir gemeinsam mit anderen Plattformanbietern daran arbeiten, Standards für Industrie-Apps und App-Stores zu definieren. Oder auch die Industrial Digital Twin Association (IDTA), die sich auf die Standardisierung des digitalen Zwillings auf Basis der Verwaltungsschale konzentriert, um den Datenfluss entlang der gesamten Lieferkette zu optimieren.
Getreu dem Motto „From ego to eco system“ ist unsere Vision, dass User zukünftig vom Lösungsraum möglichst vieler Plattformen profitieren können. Für unsere Kunden wird dies beispielsweise durch die Verbindung des App-Managements mit anderen Ökosystemen wie Weidmüllers u-OS, Hilschers netField und Flecs sichtbar. Durch diese vielfältigen Kooperationen und Initiativen tragen wir bei Lenze maßgeblich dazu bei, die digitale Transformation in der Industrie voranzutreiben und innovative, standardisierte Lösungen zu entwickeln.


Lenze hat zur SPS 2024 die Lenze Nupano Suite gelauncht – was ist hier zu erwarten?

Daniel Lindemann: In der Lenze Nupano Suite vereinen wir unsere Tools und schaffen die Möglichkeit, ein Projekt inklusive eines digitalen Zwillings zu generieren, über den Maschinenlebenszyklus zu nutzen und anzureichern. Aber wir sind nicht allein auf der Welt und können auch nicht alles allein leisten. Daher legen wir großen Wert darauf, Schnittstellen zu anderen Tools und Lösungen vorzubereiten, sodass zukünftig andere Tools und Lösungen andocken können. Beispielsweise hat jeder Maschinenbauer ein E-CAD-Programm – wäre es nicht viel effizienter, wenn daraus auch das SPS-Programm befüllt werden würde? Indem also Informationen zu den verbauten Komponenten, deren Bezeichnung und wie sie verbunden sind, direkt übernommen werden. 

Zudem denken wir auch an die Maschinen im Feld, die die nächsten Jahre laufen und sich verändern. Diese entstehenden Daten wollen wir einsammeln, verbinden und auch weiterleiten – sei es an Produktionsplanungssysteme, die über die Verfügbarkeit der Maschine informiert sein müssen, oder an Serviceportale, die durch effiziente Problemlösung und Statusberichte die Produktivität der Maschine sicherstellen und erhöhen. Usability steht hier auch im Fokus. Es ist uns wichtig, dass die Menschen unterstützt werden, damit Maschinen schneller entwickelt und effizienter betrieben werden können. 


Letzte Frage: Was werden aus Ihrer Sicht drei Themen sein, die die Automatisierung nachhaltig verändern werden?

Daniel Lindemann: Zum einen wird Künstliche Intelligenz uns immer weiter unterstützen und begleiten. Das ist bei uns auch schon angekommen – sei es bei Auto-Tuning-Funktionen oder im Kontext der Lenze Nupano Suite, mit der wir Lösungen bieten, die bei der Programmierung oder der Auslegung unterstützen oder auch zu Optimierungen beitragen. Zum anderen wäre da der Fachkräftemangel – in den kommenden Jahren werden wir sehen, dass in vielen wichtigen Bereichen erfahrene Mitarbeiter, die Know-how-Träger sind, aus dem Arbeitsleben austreten. Dieser Entwicklung müssen wir mit Technologien entgegenwirken, um das Arbeitsgebiet weiter interessant zu halten und um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben und für neue Fachkräfte interessant zu bleiben. Ein Beispiel ist die Programmierung von Steuerung mit den IEC-61131-Sprachen. Stattdessen werden immer mehr Hochsprachen, Low-Code/No-Code Ansätze oder auch KI zum Einsatz kommen. 

Last but not least sind die zunehmenden Regularien in Richtung Cyber Security und Nachhaltigkeit zu nennen. Diese Anforderungen werden einen großen Impakt haben, denn es gilt Lösungen auszugestalten, neue Technologien zu pushen – wie beispielsweise OPC UA mit TSN als möglicher Feldbusersatz – und auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, zu verändern. Es ist größere Offenheit zwischen Mitbewerbern und Anbietern aus anderen Bereichen gefordert und man muss über Datenräume zum Beispiel im Kontext Factory-X nachdenken. Es bleibt also spannend für Maschinenbauer und in der Automatisierungstechnik. (agry)

Kontakt

Lenze SE

Hans-Lenze-Straße 1
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Deutschland

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