Im Daten-Dilemma
26.06.2025 - Weshalb das mittlere Management der Schlüssel zum Erfolg beim Einsatz künstlicher Intelligenz ist
Je hochwertiger die Datengrundlage ist, desto erfolgreicher lässt sich die künstliche Intelligenz (KI) bei der Verbesserung von Fertigungs- und Prüfprozessen einsetzen. Wichtig ist, dass Unternehmen dazu ihre Datenschutzbedenken in Bezug auf Cloud-Technologien überwinden. Rudolf Schambeck von Zebra Technologies erklärt, weshalb Unternehmen mutig in KI investieren sollten und das mittlere Management perfekt für diesen Transformationsprozess geeignet ist. Ein Kommentar.
In Paris findet einmal jährlich der Aktionsgipfel zur künstlichen Intelligenz statt. Dieser lenkt die Diskussion auf große Investitionen, kalkulierte Risikobereitschaft und den Wettbewerb um die besten KI-Entwicklungen und deren praktische Anwendungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Dynamik des KI-Gipfels sollte für führende Unternehmen der Fertigungsindustrie ein Anreiz sein, ihre eigene KI-Investitionsstrategie zu überdenken – selbst in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten, schwankender Nachfrage und geopolitischer Herausforderungen.
Die Initiative „EU AI Champions“ des Gipfels wird von zahlreichen Unternehmen unterstützt und sieht hohe Investitionen für die europäische KI-Entwicklung vor – in Höhe von 150 Milliarden Euro plus zusätzliche 50 Milliarden Euro von der EU. Frankreich wurden 109 Milliarden Euro für den Ausbau seines KI-Ökosystems zugesagt, während das Vereinigte Königreich einen neuen Wachstumsplan für KI präsentierte, der 14 Milliarden Pfund sowie über 13.000 neue Arbeitsplätze im Technologiesektor umfasst. Und das zusätzlich zu den bereits angekündigten 25 Milliarden Pfund Investitionen.
Zugang zu hochwertigen Daten
Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen betonte: „Die europäische KI konzentriert sich auf die Nutzung unserer einzigartigen Industrie- und Fertigungsdaten sowie unseres Know-hows für komplexe Anwendungen.“ Diese Aussage unterstreicht die spezifischen Anforderungen an KI in den Branchen Pharmazie, Automobil und Lebensmittel, in denen Deep Learning und 3D-Scan-Software erforderlich sind, um regulatorische und qualitative Vorgaben zu erfüllen.
Ein zentraler Punkt für den Erfolg von KI ist der Zugang zu hochwertigen Daten. „Die Industrie wird in der Lage sein, zusammenzuarbeiten und ihre Daten zu bündeln. Wir schaffen den sicheren Raum dafür, denn KI braucht Wettbewerb, aber auch Zusammenarbeit“, erklärte von der Leyen weiter. In einem offenen Brief forderten Unternehmensgründer und CEOs, dass hochwertige Datensätze auf sichere und datenschutzkonforme Weise öffentlich zugänglich gemacht werden. Der britische Premierminister schlug deshalb eine nationale Datenbibliothek vor, die Forschern, gemeinnützigen Organisationen und weiteren Akteuren offensteht.
Dies verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen Hersteller auch intern konfrontiert sind. Eine aktuelle Studie von Zebra Technologies ergab, dass fast 20 Prozent der Unternehmen für maschinelles Sehen in der Automobilindustrie in Deutschland und Großbritannien der Meinung sind, dass ihre KI-Bildverarbeitung optimiert werden könnte. Damit KI-Systeme ihr volles Potenzial entfalten können, muss das Thema Datenmanagement grundlegend angegangen werden.
Transformation des Datenmanagements
Daten, die am Rand der Produktionsprozesse generiert werden, können in wertvolle Erkenntnisse umgewandelt werden – sei es für das Training und Testen von KI-Modellen oder für die kontinuierliche Verbesserung von Fertigungs- und Prüfprozessen. Sobald Daten und KI eng miteinander verzahnt sind, wird die Automatisierung mit intelligenten Kameras, Sensoren und bildverarbeitungsgesteuerter Robotik zur Realität. Dadurch können Fachkräfte von repetitiven Aufgaben entlastet und in strategisch wichtigere Bereiche versetzt werden.
Allerdings arbeiten viele Produktionsstandorte weiterhin isoliert, wodurch wertvolle Daten nicht ausgetauscht werden. Selbst dann nicht, wenn sie identische oder ähnliche Prozesse nutzen. Unterschiedliche Erfahrungswerte und Ressourcenverfügbarkeiten zwischen Teams und Standorten erschweren die Sicherstellung einer einheitlich hohen Datenqualität. Zudem stellt der Fachkräftemangel eine zusätzliche Herausforderung dar.
Daten sollten standardisiert gespeichert, mit Anmerkungen versehen und für Trainingsmodelle nutzbar gemacht werden. Gleichzeitig benötigen KI-Modelle separate Datensätze für Testzwecke. Eine isolierte Speicherung von Unternehmensdaten steht einer effizienten KI-Schulung im Weg.
Hersteller sollten sich daher fragen: Wie können sie ihr volles Wachstumspotenzial ausschöpfen, wenn sie ihre eigenen Daten nicht effizient standortübergreifend nutzen? Wie viel Produktivität geht verloren? Datenschutzbedenken in Bezug auf Cloud-Technologien müssen überwunden werden. Eine cloudbasierte Lösung würde es ermöglichen, Daten aus verschiedenen Produktionsstätten sicher zu erfassen, zu kennzeichnen und zu verarbeiten sowie die Rechenleistung bedarfsgerecht zu skalieren.
Potenzial von KI ausschöpfen
Unabhängig vom spezifischen Anwendungsfall gibt es Möglichkeiten, KI-Lösungen zu optimieren. Technologien wie KI-gestützte Bildverarbeitung, intelligente Kameras und Sensoren können unter anderem für die Inspektion von Batterien und Halbleitern, die Qualitätsprüfung von Verpackungen, das Lesen von Seriennummern oder die Fehlererkennung bei Autoteilen genutzt werden.
Der Erfolg von KI sollte jedoch nicht nur an ihrer reinen Leistungsfähigkeit gemessen werden, sondern anhand klar definierter Zeitrahmen, Kennzahlen zur Kapitalrendite und Qualitätsstandards. Neben einer Transformation des Datenmanagements erfordert eine intelligente Automatisierung gezielte Implementierungsschritte, Schulungen und betriebliche Anpassungen, die Zeit beanspruchen. Low-/No-Code-KI-Lösungen bieten den Vorteil, dass sie sofort einsatzbereit sind und eine schnellere Kapitalrendite ermöglichen.
Strategische Ausrichtung
Wer kann in Unternehmen die entscheidenden Impulse für KI-Initiativen setzen? Eine aktuelle McKinsey-Studie zeigt, dass viele Millennials zwischen 35 und 44 Jahren in mittleren Managementpositionen tätig sind. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Produktion und Unternehmensführung, sind nah an den operativen Abläufen und bringen häufig die meiste Erfahrung sowie Begeisterung für KI mit. Tatsächlich gaben 62 Prozent dieser Altersgruppe an, ein hohes Maß an Fachwissen im Bereich KI zu besitzen.
Eine separate Studie ergab hingegen, dass nur 30 Prozent der Top-Führungskräfte (CEOs, Präsidenten und andere leitende Executives) bereit sind, in wirtschaftlich volatilen Zeiten Investitionen in Wachstumsinitiativen zu erhöhen. Nur 29 Prozent widmen mehr als 30 Prozent ihrer Zeit langfristigen Wachstumsstrategien.
Das mittlere Management ist daher eine wertvolle Ressource, um Antworten auf strategische Fragen zu finden: Wie können Deep Learning und maschinelles Sehen dazu beitragen, Wettbewerbsvorteile zu sichern, Produktivität zu steigern, Prozesse zu automatisieren und Qualität zu verbessern? Statt KI-Projekte in unsicheren Zeiten zu pausieren, ist jetzt der richtige Moment, die Rolle des mittleren Managements neu zu bewerten und mutig auf KI-gestützte Innovationen zu setzen.
Autor
Rudolf Schambeck, Manager Machine Vision bei Zebra