Bildverarbeitung

Auswahl und Bewertung telezentrischer Objektive

16.09.2016 -

Die erfolgreiche Umsetzung einer Mess- oder Inspektionsaufgabe hängt nicht zuletzt von der richtigen Spezifizierung des Objektivs ab. Für die Auswahl telezentrischer Objektive gibt es einige hilfreiche Kriterien. Besondere Bedeutung kommt dabei der Spezifikation von Auflösung und Kantenverwaschung zu. Welches dieser beiden Kriterien angewendet werden muss, hängt stark von der Anwendung ab.

Für präzise Messaufgaben und anspruchsvolle Inspektionsaufgaben sind telezentrische Objektive unabdingbar. Während bei normalen, d.h. entozentrischen, Fotoobjektiven die Objekte immer mehr oder weniger perspektivisch abgebildet werden, so erfolgt die Abbildung bei telezentrischen Objektiven perspektivfrei. Dadurch werden vom Objektiv verschieden weit entfernte Gegenstände gleich groß abgebildet, wodurch auch Kantenverdeckungen vermieden werden.
Telezentrische Objektive sind im Wesentlichen durch einen objektseitig parallelen Hauptstrahlengang gekennzeichnet. Damit können beispielsweise Katalysatoren auf Verschmutzungen inspiziert werden. Weiterhin wird die Form von Prüfteilen sehr genau abgebildet, wodurch beispielsweise Steigungen und Winkel gemessen werden können. Es können auch sehr detailreiche Objekte mit vielen Merkmalen wie Leiterplatten geprüft werden.

1. Auswahlkriterien anhand wichtiger Objektivparameter bestimmen
Wichtigster Parameter ist die Größe des Untersuchungsobjekts. Danach richtet sich der Frontdurchmesser des Objektivs. Dieser muss mindestens so groß wie das Untersuchungsobjekt sein plus einer Zugabe, um Randabschattung zu vermeiden.
Mit der Sensorgröße der eingesetzten Kamera kann dann der erforderliche Abbildungsmaßstab ermittelt werden. Mit der Festlegung des Abbildungsmaßstabs wird gegebenenfalls die maximal erreichbare Auflösung bzw. Schärfentiefe limitiert.
Falls sich mit einem Objektiv nicht die gewünschte Auflösung realisieren lässt, muss ein kleinerer Ausschnitt des Prüfobjekts abgebildet und somit der Abbildungsmaßstab vergrößert werden.
Als nächstes wird der erforderliche Arbeitsabstand spezifiziert, sodass der Prüfling in der Objektebene des Objektivs platziert werden kann. An dieser Stelle muss auch der erforderliche Spektralbereich festgelegt werden, mit dem die Objekteigenschaften besonders gut sichtbar werden. Danach folgen Telezentrie und als wesentliche Parameter Auflösung und Schärfentiefe, worauf in den nächsten Abschnitten genauer eingegangen wird. Dann können weitere optische Parameter wie Verzeichnung, Farbquerfehler, Farblängsfehler, Bildfeldwölbung sowie Lichtstärke und Randabfall spezifiziert werden. Damit das Objektiv in die vorgesehene Anwendung passt, müssen zum Schluss mechanische Daten wie die Objektivabmessungen, das Anschlussgewinde, das Gewicht und auch die Umgebungsbedingungen abgeglichen werden.

2. Telezentrie
Die Telezentrie kann durch die Angabe eines maximal zulässigen Hauptstrahlwinkels, des Telezentriewinkels φ, quantifiziert werden. Abweichungen von der Parallelität der Hauptstrahlen wirken sich in einem Fehler des Abbildungsmaßstabs bzw. durch das Auftreten von Kantenverdeckungen aus.
Berechnet werden kann dieser Winkel über die zulässige Größenänderung des Objekts Δh bzw. des Bildes Δh'. Beide Größen sind über den Abbildungsmaßstab verknüpft: |β'| = Δh'/Δh. So kann gefordert werden, dass die bildseitige Größenänderung eine bestimmte Größe, typischer Weise die eines Pixels (Δh' ≤ 1 Pixel), nicht übersteigt. Der Telezentriebereich z ist dann der Bereich, in dem das Objekt entlang der optischen Achse hin und her bewegt werden kann, ohne dass die zulässige Größenänderung überschritten wird. Der Telezentriewinkel kann dabei sowohl in positive als auch in negative Richtung abweichen. Der Telezentriewinkel wird über das Verhältnis von zulässiger Höhenänderung  im Objekt- bzw. Bildraum zum Telezentriebereich bestimmt:
tan(φ) = Δh/z = Δh'/(z∙|β'|)
Idealerweise fallen Telezentrie- und Schärfentiefebereich zusammen. Dann kann das Objekt innerhalb des Schärfentiefebereichs axial vor und zurück bewegt werden, ohne dass seine abgebildete Größenänderung einen bestimmten Wert übersteigt.
Bei beidseitig telezentrischen Objektiven verlaufen auch die bildseitigen Hauptstrahlen parallel. Dadurch können Änderungen des Abbildungsmaßstabs bei Schwankungen des Sensorabstands zum Objektiv vermieden werden. Weiterhin werden Abschattungen bei Sensoren mit Mikrolinsenarrays vermieden und sie bieten eine homogene Bildausleuchtung.

3. Auflösung vs. Kantenverwaschung
Die Definition der Auflösung richtet sich nach der konkreten Anwendung. Bei einem Teil der Anwendungen sollen komplexe Objekte möglichst detailliert abgebildet werden. Dies ist vor allem bei der Inspektion von Leiterplatten der Fall, wo Leiterbahnen im Mikrometerbereich inspiziert werden müssen. Bei anderen Anwendungen wiederum reicht es aus zu wissen, ob ein Defektpunkt vorhanden ist, um ein Objekt als „schlecht“ auszusortieren, wie bei  Verschmutzungen im Katalysator. Im Wesentlichen wird nach der Größe des kleinsten detektierbaren Merkmals gefragt. Es gibt aber auch Prüfaufgaben, bei denen weniger die Auflösung feinster Strukturdetails interessiert, als vielmehr die präzise Abbildung der Objektkonturen. Dies gilt für die Prüfung auf Form- oder Maßhaltigkeit, die einen wesentlichen Teil der industriellen Bildverarbeitung darstellt.

3.1 Wichtiges Vergleichsmittel für Objektive: die MTF
Die wichtigste Kennkurve zur Vorherbestimmung der Erkennbarkeit von Objektdetails ist die Modulationstransferfunktion (MTF). Diese gibt an, mit welchem Verhältnis von Bild- zu Objektkontrast M'/M einzelne Ortsfrequenzen von der Optik übertragen werden. Für einen Objektkontrast von 1, gibt die MTF direkt den zu erwartenden Bildkontrast an. Typischerweise wird die bildseitige Ortsfrequenz R' in Linienpaaren pro Millimeter angegeben und als Kehrwert der bildseitigen Periode einer sinusförmigen Intensitätsverteilung Δr' gebildet. Der Zusammenhang zwischen objektseitigem Strukturdetail Δr und bildseitiger Ortsfrequenz R' besteht über den Abbildungsmaßstab: Δr = 1/(R' ∙|β'|)
Da komplexe Objekte ein ganzes Spektrum an Ortsfrequenzen aufweisen, sollte dieses auch mit möglichst hohem Kontrast übertragen werden. Der maximale Kontrast wird durch die Beugung begrenzt, die für einen natürlichen Abfall bei höheren Ortsfrequenzen sorgt. Bei der sogenannten Grenzfrequenz R'G sinkt er bis ganz auf null. Diese Beugungsgrenze kann entweder durch gut korrigierte Systeme bzw. durch Abblenden erreicht werden, allerdings auf Kosten der maximalen Grenzfrequenz. Die Abbildungen 5 (a) und (b) zeigen jeweils die beugungsbegrenzten MTF-Kurven für ein Objektiv mit einer effektiven Blendenzahl von 6,3 bzw. 25,1. Der Abbildungsmaßstab der Optiken beträgt in beiden Fällen 0,5. Die Wellenlänge beträgt 550 nm. Damit eine Struktur noch aufgelöst werden kann, sollte der Kontrast mindestens 20 % betragen. Somit beträgt die minimal auflösbare Strukturperiode im linken Bild 10 µm und im rechten 40 µm.
Kommt es also auf eine detailreiche Abbildung an wie bei der Leiterplatteninspektion, muss gefordert werden, dass das Objektiv eine bestimmte Ortsfrequenz mit einem minimalen Kontrastverhältnis noch überträgt.

3.2 Zum Auffinden von Defekten: Punkt- und Linienerkennung
Sollen auf einem Gegenstand einzelne Punkte oder Linien wie Schmutz oder Kratzer erkannt werden, so lässt sich hierfür schlecht eine maximale Ortsfrequenz angeben. Die Abbildungseigenschaften einer Optik in Bezug auf Punkte oder Linien spiegeln sich in der Punktbild-  bzw. Linienbild(verwaschungs)funktion wider. Beide Funktionen verhalten sich ähnlich, weshalb hier exemplarisch nur die Punktbildfunktion erläutert wird. Die Abbildungen 5 (c) und (d) zeigen die idealen Funktionen für die beiden Optiken. Die Einsätze in den Grafiken zeigen die Simulation der Abbildung eines Punktes mit 50 µm Durchmesser, die jeweils mit einer Pixelgröße von 5 µm abgetastet wurden. Dabei zeigt sich der Zusammenhang von MTF und Punktbildfunktion: Je höher die Grenzfrequenz der Optik ist, desto schmaler ist die Punktbildfunktion und desto schärfer können die Punkte abgebildet werden, sodass insgesamt auch kleinere Defekte erkennbar sind.
Sinnvoll ist es hier direkt zu fordern, dass Punkte bestimmten Durchmessers oder Linien bestimmter Breite noch erkannt werden. Dies kann über eine Bildsimulation im Optikdesign bereits nachgeprüft werden.

3.3 Häufig im Machine Vision gefordert: die Kantendetektion
Bei der Erkennung von Objektkonturen spielt der Verlauf der Kantenübergänge eine wesentliche Rolle. Denn die Lokalisierung der Objekte erfolgt anhand des daraus berechneten Kantenorts. Der Kantenort kann dabei umso genauer gemessen werden, je besser die Optik den Kantenort überträgt und mit je mehr Pixeln der Kantenort abgetastet wird. Die Eigenschaften der Kantenabbildung eines Objektivs werden mit Hilfe der Kantenbildverwaschungsfunktion dargestellt.
Die Abbildungen 5 (e) und (f) zeigen die idealen Kantenbildverläufe für die beiden Objektive. Diese besitzen generell eine Wendestelle bei der halben Intensität, welche genau dem idealen Bildort entspricht. Abbildungsfehler können zu einer Verzerrung des Kantenverlaufs führen.
Auch diese Funktion steht im Zusammenhang mit der MTF: Die Kanten verlaufen umso breiter, je kleiner die maximale Ortsfrequenz, also die Objektivauflösung ist. Je breiter die Kanten verlaufen, desto unschärfer erscheint zwar das Bild aber mit umso mehr Pixeln kann die Kante abgetastet werden. Dies ermöglicht dann wiederum eine sicherere Bestimmung des Kantenorts.
Zur Spezifizierung dient hierbei der Anstiegswinkel der Kurven oder die Kantenbildbreite, die typischer Weise als Breite des Anstiegs der normierten Bildintensität von 10 % auf 90 %  angegeben wird. Die Abbildungen 5 (e) und (f) zeigen: bei einer Pixelgröße von 5 µm wird der gesamte Kantenübergang beim hochauflösenden Objektiv nur mit 2 bis 3 Pixeln abgetastet, während es beim niedriger auflösenden 4 bis 5 sind, was etwa einer Verdopplung der Messgenauigkeit entspricht.
Kommt es also auf die genaue Detektion des Kantenorts an, so sollte die Auflösung nicht zu hoch spezifiziert werden. Hier muss ein Kompromiss gefunden werden, so dass die Struktur des Prüfobjekts noch sicher erkannt und die Kanten mit hoher Abtastrate detektiert werden können.

4. Schärfentiefe
Schärfentiefe bedeutet, dass die geforderte Auflösung bzw. Kantenverwaschung über einen bestimmten Bereich vor und hinter der Objektebene eingehalten wird. Typischerweise soll die MTF an den Rändern des Schärfentiefebereich noch 20 % betragen. Hierfür muss jedoch auf maximal mögliche Auflösung verzichtet werden. Denn ist die MTF bei einer Ortsfrequenz bereits in der Objektebene auf 20 % gesunken, so bietet dies kaum noch Spielraum für Schärfentiefe. Schärfentiefe und Auflösung sind fundamental miteinander verknüpft: Ihr Produkt ist konstant. Wird also in einer Applikation mehr Schärfentiefe gebraucht, muss die Auflösung reduziert werden. Dies bedeutet weiterhin, dass bei größerem Abbildungsmaßstab die Auflösung steigt und gleichzeitig die Schärfentiefe sinkt.

Zusammenfassung
Eine Reihe von Angaben ist zur richtigen Auswahl bzw. Bewertung eines telezentrischen Objektivs notwendig. Die optischen Parameter sind zudem wellenlängenabhängig. Deshalb ist die vollständige Charakterisierung von Objektiven in einem Datenblatt schwierig. Im Zweifelsfall kann der Hersteller um Auskunft gebeten werden oder der Hersteller stellt sogenannte Black-Box-Modelle des Optikdesigns zur Verfügung. Aus denen können dann alle optischen Daten ermittelt werden. Weiterhin ist es wichtig, sich vorher Gedanken zu machen, ob für die Applikation eine detailreiche Abbildung benötigt wird (hohe Auflösung) oder ob Objektkonturen genau vermessen werden sollen (Kantenverwaschung). Wenn eine theoretische Vorhersage schwierig erscheint, sollte das Objektiv vorab getestet werden. Hierbei sind verstellbare Blenden hilfreich, mit denen der optimale Kompromiss von Auflösung und Schärfentiefe gefunden werden kann.
 

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