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„Die politischen Verwerfungen mit China pushen unser Geschäft“

27.02.2023 - Interview mit Simon Smith, European Director von Aerotech

Flexibel auf Kunden einzugehen in Kombination mit robusten Lieferketten und diversifizierten Märkten. Damit ist Aerotech gut für die Zukunft aufgestellt, ist sich Simon Smith, Europachef von Aerotech, sicher. Daher können ihn auch die politischen Unstimmigkeiten zwischen den USA und China nicht schockieren. Vielmehr sieht er darin große Chancen für das eigene Unternehmen, aber auch für ganz Europa.

inspect: Das bisher reine Vertriebsbüro in Fürth wurde in diesem Jahr zu einem Montage­werk ausgebaut. Was ist der Hintergrund?

Simon Smith: Um einen Schritt zurückzugehen: Zunächst einmal hat Aerotech schon immer neben elektromechanischen Systemen auch komplette Lösungen angeboten. Also geht es beim Verkauf stets darum, zu verstehen, was für den Kunden wichtig ist. Und eines der Dinge, die wir in den letzten Jahren gelernt haben, ist, dass es sehr gut ist, flexibel zu sein und an verschiedenen Standorten produzieren zu können. Das hat mit dem Personal zu tun, mit der Verfügbarkeit von Ressourcen und mit der Tatsache, dass wir beispielsweise für unsere Lineartische auch große Granit­blöcke verwenden, die wir dann nicht erst um die halbe Welt transportieren müssen.

Das Montagewerk in Fürth gibt uns mehr Flexibilität vor Ort. Wenn sie zum Beispiel eine 3 Meter lange Achse liefern wollen, ist es sehr schwierig, diese mit einem Flugzeug zu transportieren, zumal wenn ein großer Granitblock daran befestigt ist. Und per Schiff braucht es eben wesentlich länger.

inspect: Können Sie etwas genauer erklären, was in Fürth produziert wird?

Smith: Wenn wir Linearsysteme haben, die auf einer größeren Granitbasis verbaut sind, an denen große Granitstücke verbaut sind, haben wir mit dem Werk in Fürth die Flexibilität, entweder in den USA zu produzieren, oder den Granit vor Ort in Deutschland beziehungsweise in anderen europäischen Ländern zu beschaffen und die entsprechenden Linearversteller in Fürth darauf zu montieren. Eines der ersten Dinge, die wir jetzt ins Auge fassen, ist es, den Maschinenpark vor Ort zu erweitern. Der Grund dafür ist die größere Flexibilität, welche unsere großen Kunden in Europa erwarten. Oft weiß ein Kunde zum Beispiel anfangs nicht, ob er eine bestimmte Komponente zusätzlich auf der Granitbasis benötigt: Sie wissen zum Beispiel oft anfangs nicht, ob sie ein Drehteil obendrauf haben wollen oder nicht. Darauf wollen wir vor Ort schneller reagieren können.

Davon abgesehen geht es in Fürth darum, mit den Kunden vor Ort in Kontakt zu treten. Ein Beispiel: Wenn ein Kunde aus Deutschland ein großes System bestellt, möchte er sich das System zuvor vielleicht schon einmal ansehen und prüfen, bevor er es abnimmt. Eine Reise in die USA ist für ihn zu aufwendig und nach Fürth ist das problemlos und zeitnah möglich.

inspect: Damit ist Fürth sozusagen ein Zentrum in Europa, richtig?

Smith: Das ist richtig, ja. Es ist nicht so, dass wir es nicht auch anderswo machen wollen, aber es gibt nicht überall ausreichend Ressourcen. Wir haben uns für Deutschland entschieden, weil die Mitarbeiter dort sehr viel Know-how besitzen. Und außerdem haben wir dort auch das Material und die Räumlichkeiten, die wir für diese Aufgabe brauchen. Nicht zuletzt ist Deutschland in Europa als Industriestandort bekannt, der hochwertige Lösungen bietet.

inspect: In welche Länder exportieren Sie innerhalb Europas hauptsächlich?

Smith: Wir haben zwei Hauptbüros, eines in Großbritannien und eines in Fürth. Das Büro in Großbritannien kümmert sich um Skandinavien, die baltischen Staaten, Frankreich und Südeuropa sowie den Nahen Osten. Fürth bedient den Rest Europas, also im Wesentlichen Osteuropa sowie die deutsche Schweiz und Österreich.

inspect: Sie haben Großbritannien erwähnt. Das führt unweigerlich zu einer Brexitfrage: Wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?

Smith: Wenn Sie mich fragen würden, ob ich für den Brexit gestimmt hätte, wäre die Antwort Nein gewesen. Einfach weil es immer besser ist, einen gemeinsamen Markt zu haben, auf dem man agieren kann.

Natürlich gibt der Brexit uns als Land auch Flexibilität. Aber er macht uns das Leben schwer und verkompliziert die europäischen Geschäftsbeziehungen spürbar, was Export und Import angeht. Außerdem haben wir jetzt eine Barriere zwischen uns und dem dortigen Werk in Deutschland: Neben den Zöllen, die wir zahlen müssen, wenn die Waren nach Großbritannien kommen, gibt es noch die ganzen Zollabfertigungen, die man durchlaufen muss. Insgesamt gibt es einfach mehr Bürokratie und es kostet jetzt mehr Geld, über Landesgrenzen hinweg Geschäfte zu machen. Aber es gibt bereits Gerüchte im Vereinigten Königreich, dass wir wieder Teil von Europa werden könnten. 

inspect: Wie hat Aerotech die Pandemie überstanden?

Smith: Ich denke, wir haben die Pandemie sehr gut überstanden. Wir haben gelernt, unsere Geschäftsmethoden zu erneuern und als Hybridunternehmen zu funktionieren: Viele Mitarbeiter arbeiten weiterhin von zu Hause aus und erledigen ihre Aufgaben unter anderem in Online-Meetings, auch Verkaufsgespräche.

Ich glaube, wir sind dadurch auch produktiver geworden. Es geht dennoch nichts über ein persönliches Treffen, über eine echte Begegnung mit dem Kunden. Und wir fangen jetzt wieder an, diese Gelegenheiten wieder häufiger wahrzunehmen.

inspect: Was waren die größten Erfolge von Aerotech in letzter Zeit?

Smith: Es war eine schwierige Zeit während der Pandemie, aber eines kann ich sagen: Aerotech hat weiter in die Zukunft investiert. So haben wir eine neue Steuerungsplattform auf den Markt gebracht: Automation 1. Wir waren jetzt lange damit beschäftigt, Kunden von unseren bestehenden Kontrollplattformen auf die neue umzustellen, und ich denke, das war ein großer Erfolg, den wir erzielt haben.

Was das Geschäft betrifft, so haben wir Rekordauftragsvolumina, wir haben technologisch aufgerüstet, wir haben eine neue Fabrik gekauft, wir sind in die Fa­brik eingezogen, wir haben unsere Produktionsfläche wie auch die Reinraumkapazitäten in den USA verdoppelt, wir haben das Team erweitert und geschult... Ich denke also, wir sind in vielen Bereichen besser geworden und können unseren Kunden nun noch mehr Flexibilität bieten. Und das Beste ist: Wir haben jetzt eine intelligentere Lieferkette.

inspect: Welche Rolle spielt China im Moment und was ist die Per­spektive?

Smith: Aerotech hat ein Büro in China. Unsere gesamte Produktion findet aber in Pittsburgh statt. Außerdem machen wir die Hälfte unseres Umsatzes in den USA. Verwerfungen mit China haben also keine direkten Auswirkungen auf uns. Aber ich denke, einer der Bereiche, in denen China uns trifft, ist die Halbleiterfertigung. So hatten wir Schwierigkeiten, bestimmte Bauteile für unsere Geräte zu bekommen, FPGAs und dergleichen. Das war teilweise ein großes Problem.

Ich denke aber, das größere Problem in diesem Zusammenhang ist, dass die USA bestimmte Halbleiterprodukte nicht mehr an China liefern. Das hat Auswirkungen auf unsere Märkte in China und den Rest Asiens.

Aber was die europäischen Märkte anbelangt, so hat das im Moment keine Auswirkungen, und ich würde sogar sagen, dass es uns in Europa eher hilft, weil wir Produktionsmittel aus China zurückbringen, um vor Ort zu produzieren. Auch unser Geschäft wird dadurch tatsächlich gepusht, weil in den USA neue Fabriken gebaut werden und jede dieser Fabriken benötigt Ausrüstung, die unsere Kunden liefern.

inspect: Was sind die wichtigsten Regionen für Aerotech neben Nordamerika?

Smith: Europa und Asien teilen sich die andere Hälfte unseres Geschäfts. Darum sind wir als Unternehmen recht ausgeglichen. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass wir in mehreren Marktsegmenten tätig sind. In einigen Branchen geht es eben immer aufwärts, in wenigen eben auch mal abwärts. 

Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect

Kontakt

Aerotech GmbH

Gustav-Weißkopf-Str. 18
90768 Fürth

+49 911 967937 0
+49 911 967937 20

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