Automatisierung

Die Relevanz der Speichertiefe für eine Messapplikation

3-GHz- bzw. 5-GHz-Multifunktionsoszilloskope für die Erfassung und Verarbeitung großer Datenmengen

27.05.2022 - In den Unternehmen werden immer mehr Anwendungen digitalisiert und damit neue Daten produziert. Für die Erfassung und Verarbeitung großer Datenmengen in Messapplikationen stellt eine neue Oszilloskopserie für alle Kanäle eine Speichertiefe von bis zu 2 GPts zur Verfügung. Die vertikale Auflösung kann zwischen 8 Bit und 16 Bit eingestellt werden, was sich optimal für die Messung sehr kleiner Signalkomponenten eignet.

Viele Oszilloskopanwender fragen sich, warum ein tieferer Speicher für eine Messapplikation von Relevanz ist. Es lohnt sich, hier genauer hinzuschauen, da ein größerer Erfassungsspeicher gerade bei hochfrequenten Applikationen einen deutlichen Mehrwert bringen kann. Da hier erhebliche Datenmengen von bis zu einigen Gigabytes anfallen können, ist das Bewegen von Datenmassen beispielsweise auf einen USB-Massenspeicher oder direkt zum PC ein wichtiger Faktor. Ein weiterer Vorteil ist die Variabilität. Es kann ein großer Speicher genutzt werden, aber dieser kann auch nach Bedarf angepasst und verkleinert werden, was andere Vorteile mit sich bringt. Zum Beispiel lassen sich mit einem kleineren Speicher deutlich schnellere Messungen durchführen, um sich schnell ändernde Fehlverhalten (Gliches) oder unerwünschte, sich schnell ändernde Signalverläufe zu erfassen. Hierbei spielt die Wellenformerfassungsrate bzw. die Minimierung von Blindzeiten eine große Rolle. Rigol hat mit der DS70000-Serie ein neues 3-GHz- bzw. 5-GHz-Oszilloskop auf Basis der neu entwickelten UltraVision-III-Plattform auf den Markt gebracht. Dieses Oszilloskop, das die eigenentwickelten ASIC-Chips beinhaltet, soll im Folgenden auf die oben beschriebenen Zusammenhänge im Detail betrachtet sowie die Vorteile dieser Parameter dargestellt werden. 

Die Speichertiefe des Erfassungsspeichers

Um etwas genauer auf den Erfassungsspeicher einzugehen, wird das Vertikalsystem des Oszilloskops etwas detaillierter betrachtet. Zum Einbringen einer kontrollierten Amplitude in den Analog-Digital-Konverter [ADC] wird das analoge Eingangssignal gedämpft bzw. verstärkt. Danach ist eine Filterung für die jeweilige maximale Bandbreite notwendig, um Aliasing-Effekte zu vermeiden, die durch die zu geringe Abtastung der hochfrequenten Anteile oberhalb der maximalen Bandbreite das Signal verfälschen würden. Nach der Filterung erfolgt mittels des ADC die Digitalisierung mit der Geschwindigkeit der eingestellten Abtastrate. Das DS70000 nutzt eine Echtzeitabtastung, das heißt alle Abtastpunkte werden mit einer Triggerauslösung der Reihe nach erfasst. Die (jetzt binären) diskreten Abtastwerte werden in einem Erfassungsspeicher abgelegt und die Daten werden somit in das Horizontalsystem eines Oszilloskops übergeben. Das Horizontalsystem gewährleistet, dass ausreichend Abtastpunkte zum richtigen Zeitpunkt erfasst werden. Die Abtastwerte beschreibt man als Punkte. Als Beispiel werden eine Millionen Abtastwerte als 1 Mpts (Mega Points) beschrieben. Bei einem Oszilloskop hängen die Zeiteinstellung pro Division, die Anzahl der Divisionen [DIV], die Speichertiefe und die Abtastrate in einer Formel zusammen: 

Formel 1: Horizontaler Zusammenhang eines Digital-Oszilloskops
Formel 1: Horizontaler Zusammenhang eines Digital-Oszilloskops


Bei dem Rigol-Oszilloskop DS70504 ist der Bildschirm in 10 Divisionen unterteilt. Die maximale Echtzeitabtastrate beträgt 20 GSa/sek. Bei der Verwendung eines Kanals liegt die maximale Speichertiefe bei 2 Gpts, das heißt die maximal resultierende Zeiteinheit liegt bei 10 msek, was auf dem Display einer angezeigten Zeit von 100 msek entspricht. Wie in Formel 1 zu erkennen ist, ändern sich zwangsläufig andere Parameter, sobald eine der Variablen verändert wird. Als Beispiel kann man die Zeiteinheit erhöhen. Wenn hier der maximale Speicher bereits verwendet wird, muss sich zwangsweise die Abtastrate reduzieren. Bei den Rigol-Oszilloskopen lassen sich die Variablen Zeiteinheit und Speichertiefe verändern und die dann automatisch eingestellte Abtastrate ist dann die Konsequenz dieser Parameter. Wenn jetzt mit der Zeiteinheit von 10 msek./DIV ein 5-GHz-Signal (Periode = 200 psek.) vermessen wird, können 500 Millionen Perioden mit einer Messung erfasst und auf einem Bildschirm dargestellt werden. Mit der Zoomfunktion kann man die interessanten Bereiche genauer analysieren. Durch die hohe Abtastrate sind selbst kleinste Abweichungen bei einem 5-GHz-Signal sehr gut erkennbar. In Abbildung 1 ist die Aufnahme eines 5-GHz-Signals mit einer Amplitude von -10 dBm (100 µW, oder 200 mVpp) zu sehen. 5 GHz beschreibt die 3 dB Bandbreite des DS70504. Die Amplitude zeigt diesen Wert von 200 mVpp an, was nahezu einer realen Amplitude bei 5 GHz entspricht. Die hohe Abtastrate ist auch notwendig, wenn zum Beispiel eine Messung an der Anstiegsflanke des hochfrequenten Datensignals notwendig wird, da sich diese Bandbreiten-abhängig verhält. Die gemessene Anstiegszeit [AZ] ist sowohl abhängig von der AZ des Oszilloskops als auch von dem verwendeten Tastkopf sowie dem zu messenden Signal. 

 

Formel 2: Berechnung der gemessenen Anstiegszeit des Datensignals
Formel 2: Berechnung der gemessenen Anstiegszeit des Datensignals


In Abbildung 2 ist ein Datensignal zu sehen, das mit einem nicht optimalem HF-Kabel an Kanal 1 (Gelb) vermessen und mit einer Messung mit dem differenziellen HF-Tastkopf PVA8700 von Rigol verglichen wurde (Kanal 3, Pink). Mit dem HF-Tastkopf konnte die Anstiegszeit deutlich besser vermessen werden. Die dargestellte Zeit kann bei dem maximalen Speicher auch vergrößert werden, dann aber verringert sich die Abtastrate und man kann nicht mehr Signale mit der vollen Bandbreite auflösen. Eine Möglichkeit, das zu lösen, ist die Verwendung der Aufnahmefunktion, um den Speicher in verschiedene Rahmen abzulegen und diese Segmente zusammengefasst wieder abspielen zu lassen. Durch die Verwendung des tiefen Speichers und der langen Zeiteinstellung wird jedoch die Wellenformerfassungsrate reduziert, das heißt die Blindzeiten zwischen den Erfassungen erhöhen sich. 

Die Wellenformerfassungsrate eines Oszilloskops

Bei digitalen Oszilloskopen wird für die digitale Verarbeitung und Darstellung des Signals eine Verarbeitungszeit benötigt. Während dieser Bearbeitungszeit misst das Oszilloskop nicht, das heißt bei einem digitalen Oszilloskop entstehen immer Blindzeiten. Je mehr Funktionen genutzt werden (z. B. zusätzliche Mathematikfunktionen, FFT, etc.), desto länger ist die Blindzeit. Auch die Tiefe des Speichers und die Zeiteinstellung auf dem Monitor hat einen Einfluss. Je länger beides ist, desto größer ist die Blindzeit. Gerade bei der Vermessung von seltenen Ereignissen wirkt sich eine Blindzeit negativ auf die Messung aus, da deutlich länger gemessen werden muss, um den Glitch zu P = 99 % Wahrscheinlichkeit darstellen zu können. Die Messzeit ist in Formel 3 dargestellt.

 

Formel 3: Zeitdauer bis zur Glitch-Erfassung bei einer Wahrscheinlichkeit von 99%
Formel 3: Zeitdauer bis zur Glitch-Erfassung bei einer Wahrscheinlichkeit von 99%

 

Das bedeutet, mit der Erfassungsrate des DS70504, die >1 Mio wfms/sek. (gemessener Wert: 1,012 Mio wfms/sek.) entspricht, kann ein Glitch mit einer Rate von 10 Glitches/sek. und einer Wahrscheinlichkeit der Erfassung von P = 99 % innerhalb von 4,6 Sekunden dargestellt werden. Daher müssen 46 Events gemessen werden, um einen Glitch (zu P = 99 %) darzustellen. Bei einem Oszilloskop mit geringerer Erfassungsrate von z. B. 100.000 wfms/sek. wäre eine Zeitdauer von 46 Sekunden oder die Messung von 460 Events notwendig, um den Glitch darzustellen. 

Als Konsequenz lässt sich festhalten, dass entweder der tiefe Speicher für hochgenaue Messungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden kann oder eine sehr schnelle Messung mit einem kleinen Speicher und einer kleineren Zeiteinstellung. Beides lässt sich mit dem DS70504-Oszilloskop sehr gut umsetzen. Die Oszilloskope der Serie DS70000 können auch kleinste Glitches mit der Funktion Spitzenwerterkennung (Peak Detection) ab 200 psek erfassen. Hier wird kontinuierlich die Amplitude überwacht und innerhalb des Abtastintervalls sowohl der positive oder negative Extremwert erfasst und für die Darstellung verwendet. Die entstehende Hüllkurve kann helfen, kleinste Abweichungen darzustellen. Durch die Darstellung der maximalen und minimalen Werte erhöht die Einstellung das Rauschverhalten etwas. Die Variation des Erfassungsspeichers kann auch mittels der Aufnahmefunktion gut genutzt werden, um mehrere Signalerfassungen für etwaige Nachanalysen auf dem Gerät zu speichern. 

Die Aufnahmefunktion

Bei der DS70000-Serie ist es möglich, Signalerfassungen in jeweilige Rahmen im RAM-Speicher abzuspeichern. Diese Rahmen können wieder beliebig oft für Nachanalysen abgespielt werden. Hier kann man auch nachträglich Messungen wie zum Beispiel eine Frequenzanalyse oder die Dekodierung eines Bussignals (z. B. CAN-FD) durchführen. Die Größe des Erfassungsspeichers definiert die maximale Anzahl der zu erfassenden Rahmen. Zum Beispiel können mit einer Speichereinstellung von 1 kpts bis zu 2 Millionen Rahmen aufgenommen werden. Falls ein noch kleinerer Speicher, zum Beispiel bei einer sehr kurzen Zeiterfassung benötigt wird, kann man mit beispielsweise 400 pts Speichertiefe 2,4 Millionen Rahmen erfassen. Die minimale Intervallzeitdauer zwischen den einzelnen Rahmen liegt bei 10 nsek. Und der Zeitabstand zwischen diesen Rahmen ist sehr gering. Mit der Record-Funktion kann durch ein geschicktes setzen des [Normal-]Triggers die Auslösung und Aufnahme so eingestellt werden, dass diese nur aufnimmt, wenn der Trigger ausgelöst wird. Somit lassen sich bei Langzeittests sporadisch auftretende Events erfassen und abspeichern sowie nach Beendigung des Tests im Nachhinein so oft wie notwendig analysieren. Den Gesamtspeicher kann man durch die Segmentierung mit der Aufnahmefunktion auch vergrößern. Mit einer Speichereinstellung von zum Beispiel 1 Gpts ist eine Erfassung von bis zu 5 Rahmen möglich, was einem maximalen Speicher von 5 Gpts entspricht. Hier wird ersichtlich, dass eine Menge Daten über mehrere Gbyte anfallen. Bei vielen Anwendungen ist es notwendig, die Daten auf den internen nichtflüchtigen Speicher und letztendlich auf den PC abzuspeichern. Die Geschwindigkeit des Speicherprozesses sowie die Übermittlung der Daten auf den PC sind für viele Oszilloskope eine große Herausforderung, da dies sehr zeitintensiv werden kann. Rigol hat die Serie DS70000 für genau diesen Vorgang optimiert, um das Arbeiten so einfach und so schnell wie möglich zu gestalten. 

Datenverfügbarkeit 

Für eine gute und schnelle Datenverfügbarkeit sind bei der DS70000-Serie Schnittstellen wie USB3.0 (Host & Device) und eine Gigabit-Ethernet-Schnittstelle integriert. Die Daten können also sowohl direkt zum PC oder auch über einen USB-3.0-Stick transferiert werden. Sobald das Messgerät über Ethernet mit dem PC verbunden ist, kann man über den Browser die Webkontrolle nutzen, ohne eine zusätzliche Software installieren zu müssen. Die Bildaktualisierungsrate liegt bei neun Abbildungen pro Sekunde und bietet eine sehr schnelle Darstellung auf dem PC. Mit dieser Webkontrolle kann man das Gerät auf der einen Seite komplett bedienen. 

Auf der anderen Seite kann hier eine Aufnahme als mp4-Datei durchgeführt und direkt auf dem PC abgespeichert werden. Zusätzlich bietet diese Oberfläche die Möglichkeit, SCPI-Befehle an das Gerät zu schicken. Um wieder auf das Abspeichern der großen Datenmengen zurückzukommen, kann man das Gerät ebenfalls über die IP als ftp-Server nutzen und im Explorer öffnen. Hier können alle abgespeicherten lokalen Dateien wie Abbildungen, csv-Files, Videos, usw. vom Gerät einfach auf den PC übertragen werden. Auch die Geschwindigkeit der geräteinternen Speicherung wurde bei der DS70000-Serie optimiert.

Als Beispiel wird ein Speicher von 10 Mpts verwendet. Dieser kann unter 10 Sekunden in das Oszilloskop abgespeichert werden. Die Übertragung dieser Daten über FTP auf den PC dauert weniger als eine Minute. 2 Gpts Speicher (entspricht ca. 29,8 Gbyte an Daten) kann in das Gerät in fünf Minuten und 26 Sekunden abgespeichert werden. Der FTP-Transfer auf den PC dauert dann noch einmal sechs Minuten und 50 Sekunden. Die Binärdaten der Kurvenform kann man noch schneller in das Gerät speichern. Zum Beispiel kann ein Speicher von 2 Gpts innerhalb von 46 Sekunden auf den internen Gerätespeicher kopiert und mit 63 Sekunden via FTP auf den PC kopiert werden. 

Autor
Boris Adlung, Vertriebsingenieur 

Kontakt

RIGOL Technologies EU GmbH

Carl-Benz-Str. 11
82205 Gilching bei München
Deutschland

+49 8105 27292 0

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