Bildverarbeitung

Digitaler Messprojektor erhöht das Qualitätsniveau bei Kunststoffteilen

Unter der Linse

11.04.2017 -

Polytetrafluorethylen – oder PTFE – ist ein lineares Polymer und besser unter dem Handelsnamen Teflon bekannt. Teile, die aus diesem Kunststoff gefertigt werden, haben erstaunliche Eigenschaften und finden deshalb eine breite Verwendung. Die Herstellung erfordert aber einiges Know-how. Und eine Qualitätskontrolle, die präzise und gleichzeitig schnell und unkompliziert ist.

 

Im schwäbischen Löchgau bei Ludwigsburg entwickelt und produziert das Unternehmen Beichler + Grünenwald innovative Halbzeuge, Extrudate, Beschichtungen und Sonderformen aus dem Werkstoff PTFE (Polytetrafluorethylen). Die Halbzeuge wie Rohre und Stangen pressen die Mitarbeiter aus PTFE-Tabletten in sog. Extrudern. Das sind Geräte, die feste bis dickflüssige Massen unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmäßig aus einer formgebenden Öffnung herauspressen. Für frei geformte Teile nutzt die Firma PTFE-Pulver, das in einer Gummiform mit bis zu 1.000 bar, das entspricht einer Tauchtiefe von zehn Kilometern, in Form gepresst wird. Anschließend werden die so geformten Teile in einem Ofen erhitzt, wodurch sich die Moleküle zu langen Ketten verbinden und dem Kunststoff seine außergewöhnlichen Eigenschaften verleihen. Ihre endgültige Form erhalten die Produkte durch klassische Bearbeitung wie Bohren, Drehen und Fräsen. Eingesetzt werden die meist in kleinen Stückzahlen gefertigten Teile, wie beispielsweise Isolatoren, in der Hochspannungstechnik in vielen sicherheitssensiblen Branchen. Dementsprechend wichtig ist dem technischen Geschäftsführer und Mitgesellschafter Markus Woelky auch die Qualitätssicherung.

 

PTFE treibt den Umsatz

Woelky ist gelernter Kunststoffmeister. „Kunststoffe wird es immer geben“, dachte sich der heute 51-Jährige, als er sich nach der Schule für einen Ausbildungsberuf entscheiden musste. Bei Beichler + Grünenwald hat er das Handwerk gelernt und sich in die Führungsverantwortung hochgearbeitet, 2005 zum technischen Geschäftsführer und 2006 zum Gesellschafter. Rückblickend war die Berufswahl goldrichtig: Kunststoffe gibt es immer noch, ohne sie ist unsere moderne Zivilisation kaum denkbar.

Der spezielle Kunststoff PTFE wurde 1938 bei DuPont entwickelt und ist vor allem unter dem Markennamen Teflon als Antihaft-Beschichtung für Bratpfannen bekannt. Auch heute noch entdecken immer neue Branchen die ausgezeichneten Eigenschaften des Kunststoffs, etwa die Automobilindustrie oder die Zahnmedizin. Die beiden Gründer von Beichler + Grünenwald setzten von Anfang an auf diesen Hochleistungskunststoff – eine Entscheidung, die sich ausgezahlt hat. Das Unternehmen ist von einer kleinen Werkstatt im Jahre 1977 zu einem 100-Personen-Betrieb gewachsen.

 

Ein anspruchsvoller Werkstoff

Einige der besonderen Eigenschaften dieses Kunststoffs fallen sofort auf, wenn man ein PTFE-Teil in die Hand nimmt: Es ist überraschend schwer und fühlt sich extrem glatt an, wie man das von Teflon erwartet. Das Geheimnis des natürlichen Lotuseffekts von PTFE steckt in den sehr langen und dünnen Molekülen, den längsten in der Kunststoffchemie, die keine Anhaftung erlauben und die sich selbst in ätzendsten Säuren nicht auflösen. Mit einer Temperaturspanne von -200°C bis +280°C trotzt der Kunststoff den extremsten Bedingungen.

„PTFE ist aber auch ein anspruchsvoller Werkstoff“, schränkt Markus Woelky ein. Da gibt es insbesondere einen sog. Gefügesprung, eine Umlagerung der Molekülketten, der zwischen 19 und 20°C passiert, also genau bei Zimmertemperatur. Dann dehnt sich PTFE plötzlich um etwa ein Prozent aus. Ein Dichtungsring etwa, der vorher 100 Millimeter Durchmesser hatte, misst dann auf einmal 101 Millimeter. Schon die Wärme der Hand reicht aus, um die Temperatur über diese Schwelle zu heben. Für die allermeisten Anwendungen ist das akzeptabel, es führt aber mitunter zu Diskussionen mit Kunden, die diese Eigenschaft nicht kennen. Beichler + Grünenwald führt alle Qualitätskontrollen bei 23 Grad durch. Packt ein Kunde ein Teil aus, das vorher auf dem Hof in der Winterkälte stand und legt es sofort auf sein Messgerät, kann es zu erheblichen Abweichungen kommen. Die Ursache, das spezielle Temperaturverhalten von PTFE, ist meist schnell gefunden. Voraussetzung ist allerdings, dass man Fehler bei der Qualitätskontrolle wirklich ausschließen kann. „Wenn unsere Kunden besser messen könnten als wir, hätten wir ein Problem bei der Aufklärung solcher Vorfälle“, so der Geschäftsführer.

 

Messen im Sekundentakt

Daraus folgt zwangsläufig: Das Qualitätssicherungsteam arbeitet nur mit den besten und zuverlässigsten Messgeräten. Die stehen in Räumlichkeiten in einem denkmalgeschützten Backsteingebäude, in denen seit dem 19. Jahrhundert eine Nagelfabrik produzierte, die 1974 die Produktion einstellte. Drinnen fällt der Blick erst auf eine Zeiss DuraMax, die gerade lautlos ein Bauteil misst. Daneben steht ein futuristisches weißes Gerät – die Zeiss O-Select. Mit seiner gewaltigen Linse nimmt der digitale Messprojektor Bilder von Bauteilen auf und misst diese in Sekundenschnelle.

Danijel Batinic, Mitarbeiter in der Qualitätssicherung, legt ein PTFE-Teil mit diversen Bohrungen und Ausfräsungen auf die Projektionsfläche und klickt den Startknopf. Die Linse fokussiert automatisch, dann erscheint die Aufnahme auf dem Bildschirm, kurz darauf blendet die Software sämtliche Maße des Teils ein wie Längen oder Durchmesser. Der ganze Messvorgang dauert nur wenige Sekunden.

 

Farbliche Marker zeigen Überschreitungen

Was alles in dem Messprojektor steckt und wo die Fallen beim PTFE liegen, demonstriert Batinic mit einem kleinen Experiment. Er legt das eben geprüfte Teil für einige Minuten in eine Kühltruhe und vermisst es erneut. Weil die Temperatur in Teilen des Kunststoffs nun unter den 19 Grad liegt, bei denen der Gefügesprung stattfindet, ist das eigentlich 117 Millimeter lange Teil in der kurzen Zeit schon um einen halben Millimeter geschrumpft. Die Software zeigt die Abweichungen in einer Liste an und warnt mit farbigen Markern, dass hier die Toleranzgrenzen überschritten wurden.

Der gewaltige Fortschritt, den die Anschaffung der Zeiss O-Select für Beichler + Grünenwald brachte, liegt weniger in ihrer erstaunlichen Präzision als vielmehr in ihrer intuitiven Bedienung und der blitzschnellen Messung. „Ich könnte dieses Teil so wie früher auch mit einem Messschieber messen und würde ungefähr die gleichen Ergebnisse bekommen“, sagt Batinic, „aber das würde 20 Minuten dauern und vielleicht würde ich dabei einen Fehler machen.“ Gab die Fertigung früher wegen des Zeitaufwands nur kleine Stichproben in die Qualitätskontrolle, sind es heute viel mehr Teile. „Wir messen häufiger und damit ist das Qualitätsniveau insgesamt gestiegen“, so Batinic weiter.

 

Partner auf Augenhöhe

Im Laufe seines Arbeitslebens hat Markus Woelky schon einige Messgeräte verschiedener Hersteller ausprobiert. „Aber mit keiner Firma arbeite ich so unkompliziert zusammen wie mit Zeiss IMT“, lobt er. Während es manchen Wettbewerbern nur ums Verkaufen gehe, sei Zeiss ein echter Partner. Falle eine Maschine aus, sei der Kundendienst in kürzester Zeit vor Ort und halte, wenn nötig, sogar ein Ersatzgerät bereit, die Geräte dürfe man leihweise auch ausprobieren.

Und so steht als nächstes wieder ein Produkt aus Oberkochen auf der Wunschliste. Die neue O-Select wird eine spezielle Beleuchtung haben, die Reflexionen auf dem Kunststoff verhindert. Außerdem einen verfahrbaren Tisch, damit lassen sich größere Bauteile oder mehrere auf einmal messen. Auch dann werden nicht alle Teile aus der Werkstatt von Beichler + Grünenwald auf die neue Maschine passen. Das größte PTFE-Teil, das in Löchgau jemals gefertigt wurde, war ein Dichtring für ein Kraftwerk: Sein Durchmesser betrug 10 Meter.

Kontakt

Carl Zeiss IMT GmbH

Carl-Zeiss-Str. 4–54
73447 Oberkochen

+49 7364 200
+49 7364 20 38 70

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