Automatisierung

Humanoide Robotik wird die Zukunft sein

10.06.2025 - Im Gespräch: Alexander Mühlens, Leiter Geschäftsbereich Low-Cost-Automation bei Igus

Wie Deutschland mit mehr Risikobereitschaft seine Position im internationalen Vergleich stärken könnte, warum Humanoide die Zukunft bedeuten können und es bei Igus bald „no boring jobs“ mehr gibt, darüber und vieles mehr sprechen wir mit Robotik-Experte Alexander Mühlens.
 

Welchen Stellenwert nimmt Robotik innerhalb des Unternehmens ein und wie bewerten Sie die Position Deutschlands im weltweiten Vergleich?

Alexander Mühlens: Wir haben bereits über 2.500 Anwendungen in der eigenen Produktion und Logistik automatisiert und nutzen dafür unsere Robotiklösungen. Vor allem in arbeitsintensiven Bereichen ist die Automatisierung ein Gamechanger. Es wird zunehmend schwerer, Menschen für Routinetätigkeiten zu begeistern, etwa für das Einlegen von Bauteilen in Spritzgussmaschinen. Wir haben deshalb eine Initiative namens ‚No boring jobs‘ gestartet. Die Automatisierung der Produktion bringt sowohl kostentechnische als auch technologische Vorteile und ermöglicht uns, Fachkräfte für qualifiziertere Aufgaben einzusetzen.

Deutschland hat als exportorientiertes und maschinenbaugetriebenes Land eigentlich eine starke Position im Bereich Robotik, ist jedoch im Vergleich zu anderen Regionen wie Nordamerika weniger risikobereit. In vielen Branchen zeigen sich Unternehmen noch verhalten, wenn es darum geht, selbst Automationslösungen einzusetzen.
 

Welche Bereiche der Robotik respektive Roboterarten deckt Igus aktuell ab?

Alexander Mühlens: Igus ist ein Vollsortimenter, folglich decken wir alle Arten von Robotern ab: ob Gelenk-, Delta-, Portal-, und Scara-Roboter oder Cobots. Seit einem Jahr bieten wir auch autonome mobile Roboter (AMR) an, und seit neuestem haben wir einen humanoiden Roboter im Portfolio. Unsere RBTX-Online-Plattform bietet zudem eine herstellerunabhängige Auswahl an Low-Cost-Robotern und -Komponenten von über 200 namhaften Herstellern. Wir sind die einzigen am Markt, die das in dieser Form anbieten. Denn der Kunde soll hier die kostengünstigste, funktionierende Lösung für seine Anwendung finden.
 

Wie integrieren Sie ihre Kerntechnologien, wie Energieketten oder Gleitlager, in die Entwicklung von Robotersystemen?

Alexander Mühlens: Unsere Kunststoff-Expertise fließt auch in unsere Low-Cost-Automation-Lösungen ein. So haben wir zum Beispiel vor einigen Jahren das erste vollintegrierte Kunststoff-Wellgetriebe entwickelt. Gleichzeitig kommen Igus-Energieketten, Gelenklager oder Linearachsen auch in unseren Automationslösungen wie Portalrobotern zum Einsatz.
 

Auf der Hannover Messe 2025 haben Sie Iggy Rob, den ersten humanoiden Roboter aus dem Hause Igus, vorgestellt. Welche Fortschritte haben Sie in den vergangenen drei Jahren bei der Entwicklung humanoider Roboter gemacht – vor allem mit Blick auf künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen?

Alexander Mühlens: Den allerersten humanoiden Roboter haben wir tatsächlich schon 2014 gemeinsam mit der Universität Bonn entwickelt – Nimbro, ein kleiner Fußballroboter. Seither haben wir viel Know-how dazugewonnen. Mit dem Iggy Rob haben wir jetzt einen Humanoid fest im Produktportfolio. Wir orientieren uns bei der Entwicklung neuer Produkte immer am Bedarf unserer Kunden. Wenn wir also merken, dass sie bereit sind, neuartige Lösungen zu testen, investieren wir auch in die Entwicklung entsprechender Produkte. So können wir unseren Kunden immer eine Low-Cost-Lösung „made in Cologne“ anbieten. Dazu gehört auch die Integration von Technologien wie KI und maschinellem Lernen als Teil der DNA eines humanoiden Roboters, aber auch unserer AMR. Zum Beispiel für die Objekterkennung durch Kamerasysteme, um Hindernisse sicher zu umfahren oder autonome Entscheidungen treffen zu können, um schneller ans Ziel zu kommen.
 

Wie sieht die Zukunftsvision von Igus für humanoide Roboter aus, und welche neuen Technologien planen Sie zu integrieren?

Alexander Mühlens: Für mich persönlich wird die humanoide Robotik die Zukunft sein, weil die Welt vom Menschen für den Menschen konstruiert ist. Das heißt, ein Roboter muss immer menschähnlicher werden, um Autos fahren, den Rasenmäher oder Türgriffe bedienen zu können. Dahin wird der Trend gehen. Aber wann wir wirklich so weit sein werden, dass es massentaugliche Lösungen gibt, da wage ich keine Prognose.
 

Welche spezifischen Anwendungen und Branchen sehen Sie als besonders vielversprechend für den Einsatz Ihrer (humanoiden) Roboter?

Alexander Mühlens: Die humanoiden Roboter eignen sich besonders für repetitive Aufgaben, die wenig komplex sind. Monotone Aufgaben, für die sich Menschen zunehmend schwerer begeistern lassen. Wir planen zum Beispiel, den Einsatz von humanoiden Robotern am Empfang unseres neuen Produktionsgebäudes in Köln zu testen, um Gäste zu begrüßen und in Besprechungsräume zu bringen. Aber auch in der Produktion gibt es noch immer viele Aufgaben, bei denen sich klassische Robotik aufgrund der eingeschränkten Mobilität nicht lohnt: zum Beispiel beim Be- und Entladen von Maschinen.
 

Wie geht Igus hier mit ethischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen um?

Alexander Mühlens: Igus hat die Good Work Charter des VDMA unterschrieben und sich damit dem positiven Beitrag von Robotik zur Gesellschaft verpflichtet. Die Charta betont, dass Robotik nicht nur die Produktivität steigert, sondern auch das Leben der Menschen verbessern kann, indem sie Arbeitsbedingungen optimiert und neue Möglichkeiten schafft. Roboter sollen unsere Mitarbeitenden entlasten, nicht ersetzen. Deswegen haben wir unsere Initiative „No boring jobs“ ins Leben gerufen. Bei dieser begleiten die Mitarbeiter die Automatisierung von Anfang an und gestalten so ihre eigene Automatisierungslösung. Für uns als Maschinenbauunternehmen gibt es auch ganz klare Richtlinien im Bereich Sicherheitstechnik. Unsere Lösungen erfüllen dabei die unterschiedlichen Normierungen, die für AMR, Cobots & Co. existieren.
 

Welche Herausforderungen oder besonderen Anforderungen gibt es bei der Umsetzung humanoider Bewegungen in Verbindung mit Ihren Produkten?

Alexander Mühlens: Deutschland hat hohe Sicherheitsstandards, die zwar wichtig sind, jedoch die Kosten erhöhen und dadurch die Entwicklung neuer Produkte verlangsamen. Das betrifft für uns speziell die Sensorik. Wir verzichten bei unseren Automationslösungen immer dort, wo es geht, systematisch auf Sensorik, um die Produkte möglichst kostengünstig zu halten, und setzen stattdessen zum Beispiel auf Kamerasysteme mit KI-Objekterkennung. Denn wir wollen unseren Kunden immer die kostengünstigste Möglichkeit anbieten, die funktioniert.
 

Gibt es Forschungspartnerschaften oder Entwicklungsprojekte im Bereich der humanoiden Robotik, an denen Igus beteiligt ist?

Alexander Mühlens: Aktuell gibt es keine Forschungspartnerschaften. Wir sind jedoch Teil der Servicerobotik-Gruppe des VDMA und tauschen uns hier mit anderen Serviceroboterherstellern aus. Das ist aus unserer Sicht wichtig, um eine europäische Antwort auf aktuelle Fragen, gerade aus dem Bereich Sicherheit und Normierung, zu finden. Gleichzeitig arbeiten wir über unseren Marktplatz RBTX schon seit eineinhalb Jahren mit anderen Herstellern humanoider Robotik zusammen und haben schon einige humanoide Anwendungen umgesetzt.
 

Welche Maßnahmen ergreift Igus, um die Nachhaltigkeit bei der Entwicklung und Produktion ihrer Robotik-Komponenten zu fördern?

Alexander Mühlens: Igus fördert die Nachhaltigkeit durch eine lokale Produktion für lokale Märkte. Wir haben vier Robotik-Hubs in den USA, China, Brasilien und an unserem Hauptsitz in Köln, an denen jeweils alles für den nord- und südamerikanischen, asiatischen und europäischen Markt produziert wird. Wir in Köln beziehen unser Kunststoffgranulat direkt aus der Region und produzieren selbst Leistungselektronik im eigenen Haus.
 

Gibt es analog der Chainge-Plattform auch Recyclingprogramme oder Initiativen bei Igus, um gebrauchte Robotik-Komponenten umweltfreundlich zu entsorgen oder wiederzuverwenden?

Alexander Mühlens: Über unsere Chainge-Plattform können wir auch unsere Robotik-Komponenten wieder zurücknehmen. Alles, was aus Kunststoff besteht, wird getrennt und recycelt. Generell sind unsere Produkte so aufgebaut, dass auch ein Retrofit möglich ist, sodass Verschleißteile einfach ausgetauscht werden können.
 

Welche langfristigen Ziele hat Igus für den Bereich Robotik im Allgemeinen und humanoide Robotik im Speziellen?

Alexander Mühlens: Wir wollen Robotik für alle zugänglich machen. Der Einsatz technischer Kunststoffe für die Bewegung macht unsere Lösungen besonders kostengünstig. Deshalb arbeiten wir auch weiterhin an eigenen humanoiden Robotern. Die Vision: Humanoide, die sich in der Produktion so frei bewegen wie menschliche Kollegen und die gesamte Infrastruktur nutzen können – von der Türklinke bis zum Touchscreen für die Maschinensteuerung. Gleichzeitig möchten wir als Baugruppen-Lieferant aber auch die Entwicklung humanoider Roboter anderer Hersteller mit vorantreiben. All unsere Produkte, ob Gleitlager oder Energiekettensysteme, sind weltweit in Robotiklösungen zu finden.

Kontakt

Igus GmbH

Spicher Str. 1 a
51147 Köln

+49 2203 9649 0

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