Keep It Simple and Easy to Use
10.06.2025 - Im Gespräch: Michael Mayer-Rosa, Senior Director, Industrial Automation Business Group bei Delta Electronics EMEA Region und Head of Intelligent Robot Systems (IRS)
Ist der Einsatz von KI immer und überall sinnvoll? Wo stehen wir heute in der Entwicklung autonomer und intelligenter Roboter und wann werden wir den Zustand der perfekten Mensch-Roboter-Kollaboration erreicht haben? Diese und viele weitere Fragen beantwortet uns Michael Mayer-Rosa von Delta Electronics.
Sie sagen, KI hätte das Potenzial, die Robotikbranche grundlegend zu verändern. Wo sehen Sie das größte Potenzial und in welchen Bereichen finden diese tiefgreifenden Veränderungen statt?
Michael Mayer-Rosa: Das größte Potenzial sehe ich in der Kombination aus KI und Sensorik, die es Robotern ermöglicht, situativ zu agieren und nicht mehr nur vordefinierte Bewegungsmuster abzuarbeiten. Besonders in der Mensch-Roboter-Kollaboration, in der Qualitätskontrolle und in der flexiblen Automatisierung kleiner und mittlerer Losgrößen werden Veränderungen stattfinden. Dies betrifft vor allem die Art und Weise, wie produziert wird. Hier ermöglicht es künstliche Intelligenz, die Produktionsprozesse adaptiver, intelligenter und effizienter zu gestalten. Mit dem Cognibot-Kit haben wir hier vor wenigen Wochen eine Innovation präsentiert, die kognitive Robotik auch für den Mittelstand attraktiv macht.
Ist der Einsatz von KI immer und überall sinnvoll? Wo sehen Sie Grenzen?
Michael Mayer-Rosa: Nein, der Einsatz von KI ist nicht überall sinnvoll. In hochstandardisierten Prozessen mit klaren Regeln kann klassische Automatisierung in vielen Fällen effizienter und robuster sein. Grenzen sehe ich noch heute dort, wo Datenqualität oder -verfügbarkeit eingeschränkt sind. Skeptisch bin ich auch bei hoch sicherheitskritischen Anwendungen, bei denen eine vollständige Erklärbarkeit respektive Transparenz der Entscheidungen erforderlich ist. Da KI hier meist als Black-Box erscheint, ist deren Einsatz hier sehr problematisch.
Wo stehen wir aktuell in der Entwicklung autonomer und intelligenter Roboter, die flexibel auf ihre Umgebung reagieren können?
Michael Mayer-Rosa: Wir haben jüngst deutliche Fortschritte gemacht, insbesondere durch die Integration von Computer Vision und Machine Learning. Roboter können heute bereits visuelle Informationen interpretieren und sich eigenständig an Veränderungen im Arbeitsumfeld anpassen. Dennoch stehen wir noch ganz am Anfang, was echte Autonomie und kontextuelles Verständnis betrifft. Viele Systeme benötigen weiterhin einen menschlichen Helfer, der Vorabkonfigurationen durchführt. Auch muss eine KI erst intensiv und vielseitig trainiert werden. Eine KI-basierte Automatisierungslösung ist im Prinzip wie ein Neugeborenes: Das Potenzial ist groß, aber es kann am Anfang nicht laufen und nicht sprechen – es lernt im Laufe der Zeit durch Sehen und Hören.
Worin bestehen aktuell die größten Herausforderungen bei der Integration von KI in Cobots und Roboter?
Michael Mayer-Rosa: Die größten Herausforderungen liegen in der Datenverfügbarkeit, der Datenverarbeitung in Echtzeit sowie der nahtlosen Integration in bestehende Produktionssysteme. Zudem ist es entscheidend, Vertrauen in KI-basierte Entscheidungen aufzubauen – sowohl auf Anwender- als auch auf Managementebene. In Gesprächen mit Kunden und Interessenten wird immer wieder deutlich, dass es noch Skepsis und Sorgen gibt, wenn Unternehmen über den Einsatz von KI und Cobots nachdenken. Man möchte bei der Entscheidung keinen Fehler machen und fühlt sich oft noch unzureichend informiert. Hier müssen die Hersteller einen besseren Job machen und den potenziellen Kunden reinen Wein einschenken, was den Einsatz von KI und Cobots in der Industrie betrifft.
Welche ethischen Fragen müssen bei der Weiterentwicklung und dem Einsatz intelligenter Roboter beachtet werden?
Michael Mayer-Rosa: Wichtig sind Transparenz, Verantwortlichkeit und vor allem der Datenschutz. Es muss klar sein, wer für Entscheidungen eines intelligenten Systems verantwortlich ist. Zudem dürfen Mitarbeitende nicht durch KI ersetzt, sondern müssen durch sie unterstützt und weiterqualifiziert werden. Der Mensch sollte stets die Kontrolle behalten, wenn es um endgültige Entscheidungen geht.
Welche spezifischen KI-Technologien und Algorithmen setzt Delta Electronics in seinen Cobots und Robotersystemen ein, um Präzision und Effizienz zu steigern?
Michael Mayer-Rosa: Wir setzen auf eine Kombination aus Deep Learning für visuelle Erkennung, Reinforcement Learning für Bewegungsoptimierung sowie klassische Algorithmen zur Pfadplanung und Kollisionsvermeidung. Unser Fokus liegt dabei auf praxisnahen, robusten Lösungen, die auch in anspruchsvollen Industrieumgebungen zuverlässig funktionieren. Nach dem Motto „keep it simple and easy to use“, denn nur so entsteht auch Akzeptanz auf Anwenderseite.
Wie steigert Ihr Cognibot-Kit die Intelligenz von Cobots?
Michael Mayer-Rosa: Unser Cognibot-Kit erweitert unseren klassischen D-Bot um KI-basierte Funktionen wie adaptive Greifstrategien, visuelle Werkstückerkennung und intuitive Mensch-Roboter-Interaktion. Dadurch können die D-Bots nicht nur Aufgaben erlernen, sondern auch flexibel auf neue Situationen reagieren – ohne dass eine aufwendige Programmierung nötig ist. Dies bietet dann eine hohe Flexibilität bei verschiedenen Arbeitsprozessen, da man bereits gelernte Abläufe einfach durch Voice Command starten kann.
Inwieweit können KMU an dieser Entwicklung partizipieren?
Michael Mayer-Rosa: Gerade für KMU bieten sich enorme Chancen: Durch modulare, vorkonfigurierte KI-Lösungen wie unseren Cognibot-Kit können auch kleinere Unternehmen schnell und kosteneffizient in die smarte Automatisierung einsteigen – ohne spezielle Vorkenntnisse. Zudem arbeiten wir eng mit Partnern und Integratoren zusammen, um eine einfache Inbetriebnahme sicherzustellen. Ziel ist es, den KMUs die Angst zu nehmen, wenn es aus deren Sicht um technologisches Neuland geht.
Welche Pläne gibt es, die D-Bot-Serie mit fortschrittlichen KI-Algorithmen respektive KI-Modellen weiterzuentwickeln, um autonomere und intelligentere Robotersysteme zu schaffen?
Michael Mayer-Rosa: Wir entwickeln die D-Bot-Serie kontinuierlich weiter, etwa durch den Einsatz multimodaler Sensorik und selbstlernender Systeme. Ziel ist es, D-Bots zu befähigen, aus Interaktion und Erfahrung zu lernen – mit weniger Vorkonfiguration, mehr Autonomie und intelligenterer Umgebungserkennung. Wichtig ist und bleibt für uns, dass alle Neuerungen adaptierbar und modular aufgebaut sind, so wie es das Cognibot-Kit ist.
Wann werden wir den Zustand der perfekten Mensch-Roboter-Kollaboration erreichen? Und welche Hürden sind bis dahin noch zu nehmen?
Michael Mayer-Rosa: Der „perfekte“ Zustand ist ein dynamisches Ziel – aber wir kommen ihm näher. Technologisch sind wir auf einem guten Weg, doch es bleiben Herausforderungen in der Sicherheit, der intuitiven Bedienbarkeit und vor allem im kulturellen Wandel innerhalb der Unternehmen. Mensch und Roboter müssen sich gegenseitig vertrauen – daran arbeiten wir jeden Tag.
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