Automatisierung

Künstliche Intelligenz boomt. Zu Recht?

Umfrage: Warum die Industrie das Potenzial von KI jetzt entdeckt hat

05.09.2022 - Die Anfänge Künstlicher Intelligenz gehen auf das Summer Research Project on Artificial Intelligence Mitte der 50er-Jahre zurück. Wir haben bei KI-Experten nachgefragt, warum KI gerade jetzt solch einen Boom erlebt und wo wir aktuell stehen.

"Zukünftig wird sich voraussichtlich ein zweigleisiger Ansatz durchsetzen. Zum einen werden weiterhin Experten Daten analysieren. Zum anderen wird Künstliche Intelligenz neue Handlungsempfehlungen erzeugen."

Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) werden sich technische Lösungen und Prozesse in nie gesehener Weise wandeln. Die Autonomie von Systemen kann dadurch ein neues Niveau erreichen. Insbesondere im industriellen Umfeld bieten sich dafür große Chancen. Die Herausforderung bei KI in Industrieanwendungen ist die große Anzahl stark unterschiedlicher Geräte und Systeme, die physikalischen Gesetzen folgen. KI-Projekte sind dort nur dann erfolgreich, wenn es schon im Entwicklungsprozess zu einem Zusammenspiel der Expertise von Domänen-, Data-Science- und Software-Experten kommt.
Marktreife KI-Beispiele gibt es bereits etliche, etwa Antriebsstränge, die einem mitteilen, wann es Zeit für die Wartung ist. So kann die Wartung von Windparks verbessert werden, wenn Daten aus dem Umrichter der Windkraftanlage erfasst, analysiert und mittels maschinellen Lernens Diagnosen am elektrischen Antriebsstrang durchgeführt werden. Neue Anwendungsfelder ergeben sich aktuell auch durch die Möglichkeiten digitaler Zwillinge von Antriebsprodukten. Mit ihnen wird der Automatisierungstechnik ein mächtiges Konzept an die Hand gegeben. Sie können unter anderem als Grundlage für tiefer gehende Analysen und Künstliche Intelligenz dienen. KI-Anwendungen können auch Teil eines digitalen Zwillings sein und ihn zu einer intelligenten Einheit machen.
Zukünftig wird sich voraussichtlich ein zweigleisiger Ansatz durchsetzen. Zum einen werden weiterhin Experten Daten analysieren. Zum anderen wird Künstliche Intelligenz neue Handlungsempfehlungen erzeugen. Dabei werden die Daten von allen Seiten betrachtet, auch aus eher unüblichen Blickwinkeln. Beide Wege ergänzen sich ideal.

"Der Nutzen von KI-Anwendungen hat in sich in unterschiedlichen Bereichen etabliert. Die Technik ist beherrschbar geworden und löst mit wenig Aufwand erstaunlich gut Aufgaben, die zuvor aufwendig programmiert werden mussten oder nur langwierig manuell erledigt werden konnten."

Lange Zeit galt Künstliche Intelligenz als technische Spielwiese. Heute erfährt sie mehr Verständnis denn je. Die Basis hierfür ebnete der Consumer-Bereich, in welchem immer mehr Assistenten für den täglichen Gebrauch zeigen, was KI leisten kann. Der Schlüssel: Anwendungen sind schnell und einfach nutzbar. Darauf baute auch die Industrie in den vergangenen Jahren auf und adaptiert Techniken und Werkzeuge, um Unternehmen Lösungen zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz zugänglich zu machen. Die Einstiegshürden für Firmen sind dadurch signifikant gesunken.
Die technischen Bausteine sind vorhanden, um KI-Lösungen wirtschaftlich und schnell in bestehende Prozesse zu integrieren. Angefangen bei effizient arbeitenden KI-Beschleunigerchips für Kleinstgeräte, die eine energiesparende beschleunigte Ausführung trainierter neuronaler Netze in Embedded-Geräten ermöglichen, bis hin zu KI-Power in der Cloud, wodurch Unternehmen nicht auf teure Hardware angewiesen sind und den Installationsaufwand vermeiden. Gleichzeitig hat sich der Nutzen von KI-Anwendungen in unterschiedlichen Bereichen etabliert, beispielsweise in der Qualitätskontrolle. Die Technik ist beherrschbar geworden und löst mit wenig Aufwand erstaunlich gut Aufgaben, die zuvor aufwendig programmiert werden mussten oder nur langwierig manuell erledigt werden konnten.
Heute stehen wir auf dem Sprungbrett, die Potenziale von KI auf möglichst viele Anwendungsbereiche zu übertragen. Für die indus­trielle Bildverarbeitung bedeutet dies beispielsweise, dass mit Hilfe von KI-Kameras samt passender Software im landwirtschaftlichen Bereich, in der Logistik oder der Medizintechnik – um nur einige zu benennen – bestehende Möglichkeiten noch weiter erschlossen werden. Bereits heute werden KI-fähige Industriekameras bei der Erntehilfe und Schädlingsbekämpfung eingesetzt, unterstützen bei der ressourcenschonenden Verpackung sowie Lagerung und verbessern Bewegungsanalysen und Körpervermessungen in der Medizin

"Die Industrie hat das Potenzial von KI entdeckt und mittlerweile gibt es Systeme und Modelle, die den Unternehmen den Einstieg in KI einfacher machen."

KI erlebt gerade einen Boom, weil wir einerseits nicht nur in der Lage sind, viele Daten zu generieren, sondern auch Systematiken entwickelt haben, die diese sinnvoll interpretieren können und permanent dazulernen – und zwar in einer solchen Qualität und Zuverlässigkeit, dass sie indus­trietauglich sind, andererseits, weil die Industrie das Potenzial von KI entdeckt hat und es mittlerweile Systeme und Modelle gibt, die den Unternehmen den Einstieg in KI einfacher machen.

"Der Königsweg in der industriellen Praxis besteht daher in einer durchdachten Kombination aus KI-basierten Technologien und traditionellen, regelbasierten Bildverarbeitungsmethoden. Darin können beide Systemwelten optimal ihre Vorteile entfalten."

Künstliche Intelligenz hat in den vergangenen Jahren tatsächlich in verschiedenen Branchen und Einsatzbereichen einen wahren Boom erlebt. Im Fokus stehen dabei vor allem Anwendungen aus dem Consumer-Umfeld wie beispielsweise digitale Assistenten, selbstfahrende Autos, Spracherkennungssoftware oder Übersetzungsmaschinen. In industriellen Anwendungen und insbesondere in der industriellen Bildverarbeitung müssen wir das Thema jedoch etwas differenziert betrachten: Wenn wir im Machine-Vision-Kontext von KI sprechen, meinen wir damit in erster Linie selbstlernende Systeme, allen voran Deep Learning. Die Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf Basis großer Mengen von digitalen Bilddaten (Big Data) neuronale Netze trainiert. Damit lassen sich die relevanten Bildeigenschaften gezielt identifizieren und detailliert auswerten.
So hat Deep Learning in der jüngsten Vergangenheit die industrielle Bildverarbeitung enorm bereichert und in vielen Fällen zu sehr robusten Erkennungsleistungen geführt.
Allerdings ist Deep Learning im Machine-Vision-Umfeld nicht das Allheilmittel und längst nicht für alle Anwendungsszenarien geeignet. Zum einen ist die Qualität der Trainingsdaten ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Einsatz. Hierbei spielen Werkzeuge zum effizienten Labeln und einfachen Verwalten auch großer Datenmengen eine wichtige Rolle. Darum haben wir auch das MVTec Deep Learning Tool entwickelt. Zum anderen wird derzeit noch sehr performante Hardware mit hohem Energieverbrauch und beträchtlichem Investitionsaufwand benötigt, um den Performance-Ansprüchen im Industrieeinsatz zu genügen. Abhilfe werden hier zukünftig sogenannte Deep-Learning-Beschleuniger schaffen. Diese Hardware ist in der Regel kostengünstiger, energieeffizienter und aufgrund ihrer Optimierung dennoch ausreichend leistungsfähig. Sie ermöglichen es zudem, dass Deep Learning im Embedded-Vision-Sektor zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Der Königsweg in der industriellen Praxis besteht daher in einer durchdachten Kombination aus KI-basierten Technologien und traditionellen, regelbasierten Bildverarbeitungsmethoden. Darin können beide Systemwelten optimal ihre Vorteile entfalten. So lassen sich Deep Learning und klassische Machine-Vision-Verfahren optimal miteinander kombinieren, wenn beide Technologien nahtlos in einer Software wie etwa MVTec Halcon oder MVTec Merlic ineinandergreifen.

"KI kann enorme Datenmengen, die eine intelligente Sensorik zur Verfügung stellt, erfassen und aufbereiten und es dem Anwender erlauben, Abweichungen und sich anbahnende Qualitätsprobleme früh zu erkennen und im Idealfall sogar in Echtzeit zu reagieren."

Die gesamte Automatisierungsbranche entwickelt sich derzeit rasant und neue Technologien wie kollaborative Robotik oder autonome mobile Transportsysteme halten Einzug in die Fertigung. Die Gründe dafür sind, dass sich einerseits die Anforderungen an eine moderne Fertigung deutlich verändert haben: Hochindividualisierte Produkte werden in häufig wechselnden, aber immer kleineren Losgrößen gefertigt, wobei die Verbraucher keineswegs bereits sind, für die erhöhte Individualisierung höhere Preise zu zahlen. Andererseits stellt sich der immer deutlicher zutage tretende Fachkräftemangel als limitierender Faktor dar und beschleunigt die Suche nach einer sich selbst optimierenden und steuernden Automation.
Die zukünftig angestrebte autonome Produktion bezeichnet hierbei eine Fertigung, die sich idealerweise selbst steuert, anpassungsfähig auf Veränderungen reagiert und so die Prozesse optimiert und die Qualität der Endprodukte erhöht.
Aktuell setzen wir bei Omron Künstliche Intelligenz vornehmlich im Bereich der Qualitätskontrolle ein. KI kann enorme Datenmengen, die eine intelligente Sensorik zur Verfügung stellt, erfassen und aufbereiten und es dem Anwender erlauben, Abweichungen und sich anbahnende Qualitätsprobleme früh zu erkennen und im Idealfall sogar in Echtzeit zu reagieren. Hierdurch können Stillstände minimiert, Qualitätsprobleme in der Fertigung der Produkte reduziert und damit die OEE (Overall Equipment Effectiveness), also die Gesamtanlageneffektivität, erhöht werden.
Zukünftig wird erwartet, dass die individualisierte Fertigung weiter zunehmen wird und sich die Produktionsprozesse weg vom traditionellen seriellen Ansatz hin zu einem mo xdularen Konzept entwickeln werden, wobei die Module autonome, von der KI unterstützte Automatisierungszellen darstellen.

"Die Berechnungsverfahren für künstliche neuronale Netze stammen aus den 1980er-Jahren, in denen die Daten und Rechenleistung fehlten. Deren unglaubliche Zunahme macht es nun möglich, die Algorithmen zu verfeinern und umfangreiche Datensätze zu erarbeiten, welche die Algorithmen für das maschinelle Lernen verwenden können."

Viele Wissenschaftler haben bis heute einen Beitrag zum Thema Künstliche Intelligenz geleistet, aber warum findet der KI-Boom gerade jetzt statt, warum nicht schon Mitte des 20. Jahrhunderts? Dies ist begründet sich darin, weil drei ausschlaggebende Faktoren zusammenkommen:
1. Verfügbarkeit von Daten
Dass das allgemeine Datenvolumen zunimmt, ist keine bahnbrechend neue Erkenntnis. Der exponentielle Anstieg überrascht jedoch die Mehrheit der Menschen. Sozialen Plattformen wie Google und Facebook sowie den großen Unternehmen liegen derzeit schon die grundlegenden persönlichen Daten ihrer Nutzer/Kunden vor. Uber kennt jeden Standort seiner Fahrer. Ein modernes Auto verfügt über mehr als tausend Sensoren, die Funktionen wie den Kraftstofffüllstand oder Reifendruck überwachen. Eine Prognose des Marktforschungsunternehmens IDC besagt, dass die weltweite Datenmenge im Jahr 2024 auf 143 Zettabyte anwachsen wird – die Zahl 143 mit 21 Nullen!
2. Rechenleistung
Um hochfunktionale Systeme zu entwickeln, muss die richtige Hardware und Infrastruktur vorhanden sein. Die früheren PCs hatten nicht genügend Leistung. Supercomputer waren sehr teuer und daher für kleine und mittlere Unternehmen unerschwinglich. Heute gibt es GPU-Cloud-Dienste, die auch für Privatpersonen leicht zugänglich und bezahlbar sind. Google hat Tensor Processing Units (TPU) auf den Markt gebracht, deren Leistung nach eigenen Angaben den der Graphics Processing Units (GPU) um den Faktor 15 übersteigt. Die TPUs wurden speziell für das maschinelle Lernen konzipiert.
3. Bessere Entwicklung von Algorithmen aufgrund der Verfügbarkeit von Daten
In der Vergangenheit gab es nicht genügend Daten, damit eine Maschine trainiert, geschweige denn Algorithmen entwickelt werden konnten, mit denen sich die Maschine selbst trainieren kann. Je mehr Daten existieren, desto besser werden die Algorithmen. Die Berechnungsverfahren für künstliche neuronale Netze stammen aus den 1980er-Jahren, in denen die Daten und Rechenleistung fehlten. Deren unglaubliche Zunahme macht es nun möglich, die Algorithmen zu verfeinern und umfangreiche Datensätze zu erarbeiten, welche die Algorithmen für das maschinelle Lernen verwenden können. Ein gutes Beispiel stellt die Spracherkennung dar: Ihr Fortschritt hängt eng mit der Größe der für das Training bereitstehenden Datensätze zusammen. Hier sind mehrere hunderttausend Stunden Sprache erforderlich.

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