Automatisierung

Muss es ein Roboter sein?

Mehrachssysteme: Eine Alternative zu 6-Achs-Robotern

15.11.2021 - Geht es um die Automatisierung industrieller Prozesse, wird schnell der Ruf nach Robotern laut. Doch nicht für alle Anwendungen sind Roboter die optimale Lösung. Vor allem bei höheren Anforderungen hinsichtlich Reichweite, Tragfähigkeit, Dynamik oder Bauraum gibt es sowohl technisch als auch wirtschaftlich attraktivere Optionen. So sind Mehrachssysteme in vielen Fällen gegenüber den klassischen 6-Achs-Robotern im Vorteil.

„Für die meisten Unternehmen ist Automatisierung gleichbedeutend mit Roboterisierung“, so Andreas Kaiser, Vertriebsleiter Linearachsen bei Rollon, und ergänzt: „Roboter bieten ohne Frage viele Vorteile und sind in zahlreichen Anwendungen eine gute Wahl, doch ein Universalmittel sind sie keineswegs.“ Insbesondere wenn es um sehr lange Verfahrwege, schwere Lasten, große Arbeitsräume oder beengte Platzverhältnisse geht, kommen sie an ihre Grenzen. Wer seine Prozesse automatisieren möchte, sollte sich daher immer die Frage stellen: Muss es unbedingt ein Roboter sein? Erfordert die Aufgabe nicht zwingend den Einsatz eines Roboters, empfiehlt es sich, über Alternativen nachzudenken. So kann eine Kombination von Linearbewegungen die technisch sowie wirtschaftlich bessere Wahl sein.

Lineartechnik: für lange Distanzen, schwere Lasten und enge Bauräume

Ihre Stärken spielen Mehrachssysteme vor allem bei höheren Anforderungen hinsichtlich Dynamik, Reichweite, Tragfähigkeit oder Bauraum aus. Müssen etwa große Entfernungen überbrückt werden, bringen feststehende Roboter naturgemäß eine gewisse Einschränkung mit. Hier sind Linearachsen im Vorteil. Mit Zahnstangenantrieb ausgestattet, können sie potenziell unendliche Hübe überwinden und sich so mühelos zwischen verschiedenen Prozesspunkten und Bearbeitungsstationen hin- und her bewegen. „Ein einzelner Roboter könnte dies nicht leisten“, so Andreas Kaiser und erläutert: „Um die gleiche Automatisierungsaufgabe wie ein einziges lineares Handlingsystem zu erledigen, müsste ein ganzes Team von Robotern zum Einsatz kommen. Diese wiederum würden sowohl mehr Platz in Anspruch nehmen als auch die Kosten in die Höhe treiben.“ Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn auf der vertikalen Z-Achse schwere Lasten bewegt werden sollen. Übernimmt ein Roboter diese Aufgabe, beansprucht er ebenfalls viel Bauraum – mit negativen Folgen für die Wirtschaftlichkeit. Mehrachssysteme hingegen kommen mit wenig Platz aus und lassen sich somit schneller und einfacher in bestehende Produktionslayouts integrieren. Zudem bieten sie eine höhere Tragfähigkeit auf der Z-Achse als eine vergleichbare Roboterlösung und können deutlich dynamischer betrieben werden.

Mehr Freiheiten für die Z-Achse

Zudem erfüllen die kartesischen Lösungen auch den Bedarf an unabhängigen Bewegungen auf einer einzigen Achse. Die Achsen X, Y und Z lassen sich individuell ansteuern und können je nach Kundenanforderung gleichzeitig oder autonom bewegt werden. Erreicht wird dies durch den Einsatz mehrerer Läufer mit jeweils eigenem Antrieb. Diese sind in der Lage, Lasten einzeln oder in Gruppen von mehreren Einheiten zu bewegen und verschiedene Bereiche des Produktionsprozesses auf unterschiedliche – und spezifische – Weise zu versorgen. „Beispielsweise ist es möglich, einen Zahnstangenantrieb auf der Y-Achse mit einer synchronisierten X-Achse und einer unabhängigen Z-Achse oder anderen spezifischen Kombinationen zu verwenden“, erklärt Andreas Kaiser. „Je nach Anwendung können dabei bis zu 14 Läufer gleichzeitig und unabhängig voneinander bewegt werden.“ Das ist vor allem für Verkettungssysteme oder Pick&Place-Lösungen mit einer Vielzahl an vertikalen Z-Achsen interessant.

Flexible Mehrachssysteme

Als Spezialist für lineare Bewegungssysteme bietet Rollon einen der größten mechanischen Linearachsbaukästen und realisiert technisch sowie wirtschaftlich optimierte Automationslösungen für jeden Anwendungsfall. Die Mehrachssysteme sind extrem vielseitig, hocheffizient, kompakt gebaut und haben sich in zahlreichen Anwendungen bewährt – von Montagesystemen über Verpackungsanlagen bis hin zu Produktionslinien mit hohen Zyklenzahlen und Geschwindigkeiten. Die Basis für die Mehrachssysteme bilden die Linearachsen der Rollon Actuator Line. Sie zeichnen sich durch hohe Tragzahlen, Verfahrgeschwindigkeiten sowie Wiederholgenauigkeit aus und erreichen hohe Taktzahlen bei geringem Eigengewicht. Auch sehr lange Verfahrwege, große Spannweiten mit geringer Durchbiegung, Dauereinsatz sowie Umgebungen mit abrasiven Stäuben können realisiert werden. Je nach Applikation werden die Rollon-Linearachsen entweder durch einen Zahnriemen, eine Zahnstange oder einen Kugelgewindetrieb angetrieben.
Oft müssen die XYZ-Konfigurationen der kartesischen Robotik Distanzen im zweistelligen Meter-Bereich überbrücken und dabei schwere Teile handhaben. Ist das der Fall, sind Zahnstangenantriebe eine gute Wahl. Sie bringen die notwendige Steifigkeit mit, um große Massen über weite Strecken punktgenau zu positionieren. Riemenantriebe sind die Spezialisten für hohe Dynamiken. Sie erreichen Beschleunigungen bis 50 m/s2 sowie Geschwindigkeiten bis 5 m/s und tragen so zur Verkürzung von Zykluszeiten bei. Geht es dagegen um maximale Präzision, kommt man an einem Kugelgewindetrieb mit einer Wiederholgenauigkeit von bis zu ± 5 μ nicht vorbei.

Lineartechnik oder Roboter? Die Anwendung bestimmt die Lösung.

Ob Werkstückhandling, Palettierung, Transport oder Verkettung mehrerer Arbeitsstationen – Mehrachssysteme von Rollon finden sich in nahezu allen Branchen und Anwendungen. Den Unterschied macht der ganzheitliche Lösungsansatz. Rollon arbeitet eng mit Systemintegratoren und Maschinenbauern zusammen und realisiert so individualisierte Komplettsysteme, die sehr hohen Ansprüchen an Effizienz, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit gerecht werden. So auch in einem aktuellen Anwendungsbeispiel von KUK-automation, für das Rollon die Achs-Auslegung übernommen hat. Ein Kunde war zwecks Realisierung einer neuen Blechhandling-Lösung an KUK-automation herangetreten. Schnell war klar: Nicht für alle Aufgaben ist ein Roboter sinnvoll. So ist er zwar ideal für das Einlegen der geölten Bleche in die Presse und das Ablegen der Fertigteile geeignet und kommt auch dort zum Einsatz, um das Handling der Rohteilstapel und die Zuführung der Bleche zur Beölungsstation kümmert sich dagegen ein 3-Achssystem. Aufgrund des geringen Platzangebots sowie der geforderten langen Verfahrwege (teilweise über vier Meter) und kurzen Taktzeit (120 Bleche pro Stunde) wäre ein Roboter für diese Tätigkeiten nicht wirtschaftlich gewesen, benötigte Größe und Stellfläche hätten die Kosten unverhältnismäßig steigen lassen. Das Linearachssystem ist nicht nur kompakter gebaut, sondern bietet auch höhere Dynamiken und kann so die großen Entfernungen in kurzer Zeit zurücklegen. Weiteres Plus: Die kartesische Lösung lässt sich unkompliziert an neue Blech-Varianten anpassen.

Was ist die bessere Option?

Die Blechbearbeitung ist dabei nur ein Einsatzbereich, auch in anderen Industriezweigen wie Verpackungsmaschinenbau, Logistik, Lebensmittel- und Getränkeherstellung, Automobilindustrie sowie Beschichtungs- und Lackieranlagen sind die spezifischen Eigenschaften von Mehrachssystemen – nahezu grenzenloser Aktionsradius, hohe Dynamik, große Flexibilität sowie einfache Installation und Wartung – gefragt. „Insbesondere bei schweren Lasten und/oder einem großen Arbeitsbereich mit mehreren Stationen gibt es eigentlich keine wirkliche Alternative zu einem kartesischen System“, stellt Andreas Kaiser klar und fügt hinzu: „Wie bereits erwähnt, bietet es im Vergleich zu einem Roboter eine höhere Tragfähigkeit bei gleichzeitiger Bewegungsfreiheit und hält den Produktionsbereich übersichtlich. So lassen sich Performance und Effizienz perfekt in Einklang bringen.“ Bevor also vorschnell die Entscheidung zugunsten eines Roboters fällt, sollte anhand der Applikationsanforderungen genau geklärt werden, ob ein Mehrachssystem nicht möglicherweise die bessere Option ist.

Autor: Jörg Lillpopp, Leiter Vertrieb & Technik

Kontakt

Rollon GmbH

Bonner Straße 317-319
40589 Düsseldorf

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