Bildverarbeitung

Out-of-the-box-System zur 6D-Roboterführung und Qualitätskontrolle

09.01.2018 -

Das Sprichwort des deutschen Dichters und Schriftstellers Erich Limpach (1899-1965) könnte auch auf den Gewinner des Inspect Awards 2018 in der Kategorie „Automation“ übertragen werden. Die Einfachheit des Out-of-the-box-Systems zur 6D-Roboterführung und Qualitätskontrolle von AI ist richtungsweisend bei der Lösung komplexer Aufgabenstellungen in modernen Fertigungs- und Montageanlagen.

Es ist erwiesen, dass ungefähr 75% aller Innovationen durch die Kombination von vorhandenem Wissen und Technologien entstehen. So ist auch das Out-of-the-box-System von AI, einer Marke der Engrotec-Solutions GmbH, entstanden. Das Team des jungen Unternehmens aus Hünfeld in Hessen konnte mit dem kompakten System zur 6D-Roboterführung, sprich einem Bildverarbeitungssystem zur Korrektur von robotergeführten Montage- oder Fügeapplikationen in bis zu drei Translationen und drei Rotationen, den Inspect Award 2018 in der Kategorie „Automation“ gewinnen.
Die richtigen Zutaten zu dieser gelungenen Lösung waren bereits in den Köpfen des Teams von AI und auch in den zahlreichen Individuallösungen vorhanden, die innerhalb der sieben Jahre seit der Gründung des Unternehmens ausgeliefert wurden. „Wir konnten auf vorhandene Ideen und Komponenten innerhalb der Engrotec- Solutions zurückgreifen und schließlich die Verfügbarkeit der Produkte für den Anwender mittels unserer sehr intuitiv bedienbaren Software maßgeblich erhöhen.“, sagt Peter Martienssen, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter, der mit Unterstützung seines Teams dann Anfang des Jahres 2015 mit der Entwicklung der neuen Produktreihe startete.

Komplexe Systeme einfach bedienen

Die Idee für die Neuentwicklung kam Martienssen durch eine Erfahrung, die das Team bei einem Automobilkunden machte, bei dem die vorhandenen Lösungen nur zögerlich angenommen wurden. Wie sich zeigte, ließ sich das Problem auf die Besorgnis eines einzelnen Produktionsmitarbeiters dieses Kunden zurückführen. Er befürchtete, wieder ein ganz neues System erlernen zu müssen, wo er doch gerade das vorhandene soweit verstanden hatte, um Störungen während der Produktion ohne Hilfe zu beseitigen. Fortan war klar, dass die Zukunft der eigenen Produkte in einfachster Bedienbarkeit liegen muss.
„Die Bedienung herkömmlicher Roboterführungssysteme war bis dato deutlich zu komplex und obendrein meist sehr kostspielig. Inbetriebnahmen dauerten entsprechend lange, der Kunde hatte Schwierigkeiten die Komplexität zu beherrschen. So bestehen die meisten der verfügbaren Systeme aus einem Sensor ohne Controller, der dann über einen PC mit einer individuell entwickelten, wenig standardisierten Software einen Roboter steuert.“, sagt Martienssen. Genau das sollte nun anders gemacht werden und war damit die Basis zur Gründung der Marke „AI“, was für „Adaptive Imaging“ steht.

Einen Teil der Lösung brachte der bereits bewährte smarte Triangulationssensor „Visionscanner“, der zu einem „Visionscanner2“ überarbeitet und schließlich mit dem AI Logo versehen wurde (Abb. 1).
Er besteht aus einem Embedded-Vision-System der Firma Vision Components und einem Linienlaser. Mit einer kompakten CPU-Platine und einem winzigen abgesetzten Sensorkopf nimmt die Kamera extrem wenig Platz in Anspruch. Engrotec hat sie mit einem IP65-Schutzgehäuse ausgestattet und in enger Zusammenarbeit mit Vision Components den Aufbau, den Arbeitsabstand und die Messfeldgröße für seine Zielanwendungen angepasst. Selbst bei schwierigen Umgebungsbedingungen arbeitet er äußerst zuverlässig und detektiert komplexe Geometrien oder Objekte mit unterschiedlichen Materialzusammensetzungen genau (Abb. 2) Der ab Werk kalibrierte Lasertriangulationssensor ermöglicht eine direkte Messung in Millimetern. Die präzise Profilaufnahme wird durch Bandpassfilter, Linienextraktion, Profilvorverarbeitung und dynamische Belichtungsanpassung sichergestellt.

Messen, Prüfen und Steuern ohne PC

Der wesentlich entwicklungsintensivere Teil des heutigen „Out-of-the-box-Systems“ war jedoch die Software „Visionelements“, die von Grund auf neu aufgesetzt wurde. Mit ihrer Hilfe kann nun optimal auf die Anforderungen der Kunden aus verschiedensten Industrien, wie der Automobilbranche, aber speziell auch dem Maschinenbau, reagiert werden (Abb. 3). Einfache Bedienbarkeit und Visualisierung komplexer Aufgabenstellungen der Robotik, die heute mit verschiedensten Roboter- oder Anlagensteuerungen realisiert werden müssen, werden damit möglich. Auf die Minimierung von lagerhaltigen Teilen und somit den flexiblen Einsatz eines Systems für verschiedenste Aufgabenstellungen, von der 2D-Roboterführung über Multisensorkonfigurationen bis hin zur nachgeschalteten Qualitätskontrolle von Fügeapplikationen, wie dem Kleben oder Falzen, wurde besonderes Augenmerk gelegt. Standardisierte Messwerkzeuge machen das Messen, Prüfen und Steuern selbst von mehreren Robotern mittels eines Sensors ohne zusätzliche PC sehr einfach.
Ebenfalls können auch Prozess- oder Messdaten über direkte Datenbankanbindungen bevorratet werden und gegebenenfalls zur Offline- Parametrierung oder Visualisierung genutzt werden.

Schnittstellen zu allen Robotersteuerungen

Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei die integrierten Automationsschnittstellen zu einer Vielzahl von Robotern und Steuerungen, die das System maximal verfügbar machen. So ist es durchaus möglich, dass der Anlagenbetreiber oder dessen Integrator das System innerhalb von wenigen Stunden nach dem Entpacken selbst konfiguriert und mit Fokus auf seiner Applikation in Betrieb genommen hat. AI hat damit das Konzept des klassischen Integrators für Bildverarbeitungssysteme aufgebrochen und versetzt nun den Maschinenbauer in vielen Fällen selbst in die Lage, ohne tiefgreifendes Bildverarbeitungswissen komplexe Aufgabe zu lösen. Natürlich steht das Unternehmen mit seinen Fachleuten aus der Robotik, Steuerungstechnik, maschineller Bildverarbeitung und der Prozesstechnik dem Kunden gegebenenfalls zur Seite.
Mit dem umfassenden Werkzeugkasten ist eine Vielzahl von Konfigurationen umsetzbar. Im Bereich der Roboterführungssysteme „Robot Guidance“, bei denen es um den Ausgleich von Lage- oder Formtoleranzen verschiedenster Werkstücke geht, können beispielsweise Punktapplikationen, wie zum Schweißen oder Versiegeln von Bolzen oder Schraubenköpfen, pro Programmpunkt individuell korrigiert werden (Abb. 4). Der Sensor wird hierbei am Roboter bzw. Applikationswerkzeug oder stationär in der Produktionsanlage positioniert und korrigiert hierbei zwei Translationen und eine Rotation eines Programmpunktes.
In gleicher Anordnung des Sensors kann aber auch eine 6D-Korrektur, also die Verschiebung des Applikationsprogrammes in bis zu drei Translationen und drei Rotationen erfolgen. Dies ist bei komplexen Montageszenarien oder auch bei Fügeapplikationen, wie dem Kleben oder Schweißen oft vonnöten.
Auch die direkt anschließende Qualitätskontrolle „Inline Process Inspection“ ist hierbei möglich Die Bahn zur Qualitätsprüfung kann dabei gegebenenfalls in mehrere Sektoren eingeteilt werden, für die jeweils unterschiedliche Prüfparameter mit zulässigen Toleranzgrenzen festgelegt sind. Läuft der Sensor hinter der Applikation, kann diese zuverlässig und bedarfsgerecht geprüft werden, um nachher beispielsweise noch zusätzlich Bauteillage und Fertigungstoleranzen zu kompensieren.
So kann der Kunde das System ohne weitere Investition sehr flexibel nutzen. Einer Kombination der Messwerkzeuge und verschiedener Aufgabenstellungen auf einem Sensor steht nur die vorhandene Zykluszeit im Wege.

Skalierbarkeit in Ein- bis Multisensorkonfigurationen

Die Skalierbarkeit des Systems wird mit der Erstellung von Multisensorsystemen, beispielsweise für die Montage von automobilen Anbauteilen, wie Dächern, Türen oder Klappen einmal mehr unterstrichen. Hierbei wird die Steuerung über einen möglicherweise anlagenseitig vorhandenen PC notwendig, der aber durch die geringe Rechenleistung wenig zu tun bekommt, da auch hier die Fähigkeit des Smartsensors genutzt wird. So sind kurze Zykluszeiten zum Messen und Korrigieren eines komplexen Gesamtsystems mit Fokus auf Spalt und Bündigkeit in vorgegebenen Regelkreisen kein Problem.
Das System kann noch mit der Datenbank PiWeb der Firma Zeiss zur Aufbereitung und Visualisierung von Messdaten ergänzt werden. Die Schnittstellen sind im Lieferumfang eines solchen Systems enthalten.
Ein weiterer innovativer Schritt ist die 6D-Korrektur einer Roboterbahn in Echtzeit. „Hierbei wird nicht nur die Bahn des Roboters aktiv gesteuert, sondern auch eine Applikation gleichzeitig geregelt.“, erklärt Peter Martienssen und sagt weiter: „Hierbei wird es beispielsweise möglich einen Roboter entlang eines Spaltes zu führen und gleichzeitig das Volumen des Spaltes zu bestimmen, um dann eine geeignete Menge Kleber einzufüllen.“ Ein Prototyp des Systems existiert bereits (Abb. 5).

Smarte Konfiguration

Die Konfiguration aller Aufgabenstellungen kann mit „Visionelements“ auf CAD Basis, aber auch am reellen Bauteil mittels eines PC oder Laptops erfolgen. Eine 3D-Visualisierung innerhalb der Software erleichtert hierbei die Konfiguration des Systems. Ist diese zufriedenstellend, wird über die vorhandene Automationsschnittstelle die Kommunikation zum Roboter permanent aufgebaut und der PC bzw. Laptop kann entfernt werden. Das System kommuniziert nun direkt mit dem Roboter.
Die Instandhaltung des Systems ist dabei denkbar einfach. Der Bediener kann mit wenigen Handgriffen und noch weniger Klicks einen neuen Sensor integrieren. Die Systeme werden kalibriert geliefert und stehen in einer Reihe von Auflösungen und Messbereichen zur Verfügung.

Bereits viele namhafte Kunden

Zum Kundenstamm des jungen hessischen Unternehmens gehören namhafte internationale Hersteller und Zulieferer aus der Automobilindustrie, wie z.B. BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen, sowie Magna oder auch Benteler und in deren weltweite Niederlassungen geliefert wird.
Engrotec-Solutions setzt mit seinem AI-Team auf Weiterentwicklung. So stellt das Unternehmen bereits nächstes Jahr eine neue Sensorplattform in Aussicht, mit der die Produktpalette maßgeblich erweitert werden soll. „Mit unseren Lösungen wollen wir schließlich ein führender Anbieter von Roboterführungssystemen werden,“ so Peter Martienssen, der auch die Entwicklung des Unternehmens leitet.
Mit dem Gewinn des Inspect Award 2018 in der Kategorie „Automation“ wird dem jungen Team nun bestätigt, welches hervorragende Produkt in jahrelanger, zeitaufwendiger Entwicklungsarbeit entstanden ist.

Kontakt

Engrotec GmbH & Co. KG

Zum Wolfsgraben 5
36088 Hünfeld
Deutschland

+49 6652 7939480
+49 6652 79394899

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