Bildverarbeitung

Single Pair Ethernet: Gamechanger der industriellen Bildverarbeitung?

24.04.2024 - Interview mit Simon Knapp, Solution Manager Machine Vision, und Christian Knoop, Product Manager Vario-X Controls & IoT

Die Experten des schwäbischen Automatisierungsspezialisten Murrelektronik sind davon überzeugt: Single Pair Ethernet (SPE) ist bereit für den großen Rollout. In Kombination mit aktuellen Ethernet-basierten Feldbusprotokollen bietet die Technologie die physische Plattform für hochperformante Installationskonzepte.


inspect: Murrelektronik ist im September vergangenen Jahres der Single Pair Ethernet System Alliance beigetreten. Welches Ziel verfolgt die Allianz und was hat Murrelektronik zum Beitritt bewogen? 

Christian Knoop: Die Single Pair Ethernet System Alliance ist ein weltweiter Zusammenschluss führender Technologieunternehmen. Ziel ist es, Single Pair Ethernet (SPE) in verschiedenen Märkten und Applikationen zu etablieren. Damit möchten wir zusammen mit den anderen Mitgliedern Industriestandards neu definieren und die Zukunft der Automatisierung mitgestalten. SPE nimmt bei Murrelektronik eine zentrale Rolle ein, weshalb wir zusätzlich im Single Pair Ethernet Partner Network aktiv sind. Unser Anspruch: Wir möchten unseren Kunden stets die bestmögliche Lösung für ihre Automatisierungsvorhaben bieten – jetzt und in Zukunft.

inspect: Welche Vorteile bietet SPE im Vergleich zum klassischen Ethernet?

Knoop: Single Pair Ethernet hat je nach Applikation ganz unterschiedliche Vorzüge. Einerseits lässt sich mit einem Adernpaar anstatt mit vier- oder achtadrigen Systemen viel Raum gewinnen. Ein wichtiger Aspekt. Denn Sensoren werden zunehmend komplexer und der vorhandene Platz ist oft limitiert. Ein System, das einen Sensor mit nur einer Leitung gleichzeitig mit Energie und Daten versorgen kann, ist dabei heiß ersehnt – Stichwort Power over Data Line (PoDL). Andererseits erlaubt SPE deutlich größere Distanzen und entschlackt mit kleineren Leitungsdurchmessern die Kabelarchitektur enorm.


inspect: Bietet SPE Vorteile speziell für Logistikanwendungen?

Simon Knapp: Single Pair Ethernet kombiniert hohe Leitungslängen mit kompakten Maßen und einfacher, robuster Verkabelung – für Logistikanwendungen sind das ideale Voraussetzungen. Das ist nicht nur deutlich effizienter, sondern spart zusätzlichen Aufwand und damit Zeit. Für die Logistik bietet SPE variable Möglichkeiten für 10BASE-T1L- oder 100BASE-T1L-fähige Feldinstrumente. Im Bereich der industriellen Bildverarbeitung lassen sich mit der Technologie und passenden SPE-Hybridstecker-Lösungen selbst hohe Ströme problemlos realisieren.


inspect: Welche Rolle spielt SPE in Bildverarbeitungsanwendungen in der Logistik?

Knapp: In einem zunehmend automatisierten Industrieumfeld ermöglicht SPE die effiziente Datenübertragung für leistungsstarke Sensorik wie Bildsensoren. Das Anwendungsfeld erstreckt sich über das präzise Vermessen von Objekten wie Paketen, die rasche Identifikation von Barcodes, die Inspektion beschädigter Kartons und optimierte Robotikführung, etwa beim Verpacken von Supermarkt-Lieferungen. Durch schnelle und zuverlässige Datenübertragung trägt SPE dazu bei, Effizienz und Präzision in logistischen Prozessen auf ein neues Level zu heben.


inspect: Wie bindet Murrelektronik Bildverarbeitungskomponenten wie Switches und Verteiler in die Anlagen­infrastruktur ein?

Knapp: Das ist gewissermaßen ein Spezialgebiet von Murrelektronik – die Integration erfolgt nahtlos. Ein Beispiel ist der Xelity Hybrid Switch, der bis zu vier Reader über eine Gigabit-Verbindung in das Netzwerk einspeist und sie über NEC CL2 abgesicherte Power-Ports mit Spannung versorgt. Dank Managed-Funktionalität befähigt der Switch den Anwender mit erweiterten Diagnosefunktionen und diversen Netzwerk-Management-Optionen für eine effiziente Konfiguration und Auswertung. Durch konsequente Integration der SPE-Technologie bietet Murrelektronik fortschrittliche sowie zuverlässige Lösungen für die dezentrale Automatisierung.


inspect: SPE kommt ursprünglich aus der Automobilbranche. Wie weit hat es sich auch in anderen Branchen durchgesetzt? Was waren die wesentlichen Treiber dafür?

Knoop: SPE ist aufgrund seiner zahlreichen Vorteile eine Enabler-Technologie für die gesamte Automatisierungstechnik, sei es durch die Reduktion von Adernpaaren, längere Leitungslängen oder die effiziente Kombination von Energie- und Datenübertragung. Obwohl bisher nur vereinzelt Produkte verfügbar sind, arbeiten aktuell viele Hersteller an neuen SPE-Lösungen. Das gestiegene Interesse unserer Kunden zeigt außerdem, dass die Technologie für zukünftige Maschinen- und Anlagenkonzepte besonders relevant ist.


inspect: In welchen Fällen ist SPE die bessere Alternative zu den herkömmlichen Verdrahtungstechnologien mit mehreren Adernpaaren und damit Kabelsträngen?

Knapp: Gegenüber den klassischen Ethernet-Technologien spielt SPE seine Stärken besonders in der anspruchsvollen Prozessindustrie aus, beispielsweise wenn ein Tausch des Feldbus-Systems ansteht, etwa von Profibus auf Profinet. Durch den Einsatz von universellen SPE-Standards lassen sich ansonsten notwendige Wechsel zwischen verschiedenen Technologien vermeiden – ein entscheidender Beitrag zur nahtlosen Vernetzung für Industrie-4.0-Anwendungen.


inspect: An welchen Stellen und mit welcher zeitlichen Perspektive wird sich SPE weiterentwickeln?

Knoop: Werfen wir einen Blick auf Reichweite und Datenübertragung: SPE ist bereits heute mit Ethernet, Ethercat, TSN, Profinet und Ethernet/IP kompatibel. Über Zweidraht-Infrastruktur erlaubt 10BASE-T1L derzeit die Übertragung von 10 Mbit/s bei Leitungslängen von bis zu 1.000 Metern. Relevant ist dies beispielsweise für die Prozessautomatisierung, in der sich Sensoren und Aktoren oft nicht im unmittelbaren Steuerungsumfeld befinden. Auf Basis von 1000 Base-T1L sollen künftig Datenübertragungsraten von 100 Mbit/s über eine Distanz von 500 Metern erzielt werden können. Einen noch höheren Durchsatz verspricht der IEEE 802.3cy-Standard: In der Fabrik der Zukunft sollen Daten mit 100 Gbit/s in bis zu elf Meter lange Leitungen fließen und vielfältige Applikationen wie autonome Roboter oder KI-optimierte Produktionsprozesse ermöglichen. 

Knapp: Die SPE-Technologie ist komplex und weist in verschiedenen Bereichen unterschiedliche Reifegrade auf. SPE wird zuerst in den Bereichen Einzug erhalten, in denen der Mehrwert am größten ist. Dies ist zum Beispiel in der Prozessindustrie oder auch in der Gebäudeautomation der Fall, was man vermutlich in den kommenden ein bis zwei Jahren sehen wird. Mit einem Zeithorizont von circa drei bis fünf Jahren sehen wir die vollständige Implementierung von SPE in Logistikanwendungen. Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, schon jetzt die Weichen richtig zu stellen.

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