SPE: Die Zukunft der Messtechnik
23.05.2025 - Jumo und Phoenix Contact kooperieren für eine durchgängige Kommunikation mittels Single Pair Ethernet
Der Sensorhersteller Jumo setzt auf Single Pair Ethernet (SPE) als zukunftsweisendes Kommunikationsmedium für seine Messtechnik. Die dafür notwendige Verbindungstechnik kommt von Phoenix Contact – und sie ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit auf Projektebene.
„Wir können unsere intelligenten Sensoren mit Single Pair Ethernet (SPE) besser nutzen“, konstatiert Manfred Walter, Produktmanager bei Jumo. „Ich habe einen echten Mehrwert, indem ich mit SPE mehr Sensordaten übertragen kann.“ Mehr Daten bilden auch die Grundlage, um daraus Informationen mit Mehrwert zu gewinnen. Diese Möglichkeit gibt es nicht, wenn ein 4- bis 20-mA-Sensor nur den reinen Stromwert überträgt – zum Beispiel als Äquivalent für eine Temperatur.
Begeistert ist Manfred Walter von der Tatsache, dass mit dem SPE-Anschluss Sensorinformationen lückenlos in einem System verteilbar sind. Er hat hier die schlecht zu überwindenden Etagengrenzen innerhalb der Automatisierungspyramide vor Augen. „Die Durchgängigkeit über alle Ebenen hinweg betrachten wir bei Jumo als große Stärke. Zudem sparen wir dabei auch noch Kabel, da über die beiden Drähte Daten und Energie, Power over DataLine (PoDL), geführt werden.“ SPE biete grundsätzlich die Chance der durchgängigen Kommunikation von der ERP-Ebene bis hinab zur Sensorik und Aktorik der Feldebene. „Und das Ganze funktioniert auch noch ohne Medienbrüche“, unterstreicht Walter, das heißt der Sensor kommuniziert in alle Ebenen durchgängig auf Basis von Ethernet-Protokollen.
OEE als Investitionsgrundlage
Die Protagonisten für Single Pair Ethernet bei Jumo und Phoenix Contact betrachten die Durchgängigkeit des Ethernets als essenziell für mehr Nachhaltigkeit in der Produktion. Der Nutzen resultiert dabei vor allem aus den neuen Möglichkeiten, die die Fehlersuche vereinfachen und durch das Einsammeln von Statusinformationen auch eine zustandsorientierte Wartung ermöglichen. Das Ganze resultiert in zahlreichen Vorteilen, die am Ende des Tages die OEE (Overall Equipment Effectiveness), das heißt die Gesamtanlagenverfügbarkeit, verbessern. Passend dazu gestaltet sich auch die Verknüpfung zu cloudbasierten Services leichter.
Mit SPE gegen den Medienbruch in der industriellen Kommunikation: Führt dieser Nutzen zu einem Umdenken bei der Wahl der Anschlusstechnik auf Sensorebene? Nach Erfahrung von Manfred Walter seien die Kundenerwartungen des Maschinen- und Anlagenbaus nach wie vor spürbar preisgetrieben. Die Budgets von Messketten seien bei der Projektierung von Anlagen eng begrenzt. „Die Frage ist, was eine Messkette kosten darf und wie hoch der Mehrpreis für die SPE-Anbindung ist.“ Die schlüssigen Argumente für die durchgängige Ethernet-Architektur ließen sich gerade in standardisierten Ausschreibungsverfahren nur schwierig darstellen. Die positiven Auswirkungen auf die OEE als wichtige Kennzahl für Investitionsentscheidungen können folglich am besten im Direktkontakt argumentiert werden.
Gefragt sind konvergente Netze
Für Martin Müller, Feldbus-Experte bei Phoenix Contact, stellt Übertragungstechnik mit SPE einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu konvergenten Netzen dar. Während zum Beispiel das Time Sensitive Network (TSN) vornehmlich für zeitkritische Aufgaben in den Disziplinen Functional Safety oder Motion Control konzipiert ist, kommt 5G für Applikationen zum Einsatz, die Mobilfunk benötigen. Vergleichbares gilt für WLAN 6 und 7 im Bereich der lizenzfreien, drahtlosen Übertragungstechnik.
„Single Pair Ethernet eignet sich wiederum sehr gut für die Kommunikation auf den letzten Metern“, so Martin Müller. Die Klammer für alle Techniken ist das konvergente Ethernet-Netzwerk – die Einheitswelt für die industrielle Kommunikation. Schaffen es die Akteure in der Automation, der Elektrotechnik sowie dem Anlagen- und Maschinenbau mittelfristig, sich auf diesen Weg zu einigen, dann gehören die Feldbuskriege mit ihren industriespezifischen Entwicklungen endgültig der Vergangenheit an.
1.000 Meter mit 10 Mbit
Die Chancen dafür stehen günstig. Denn die Entwicklung wird von der generellen Übertragungsperformance der Standardkommunikation aus dem Consumer-Markt unterstützt. SPE erreicht zum Beispiel als Medium für die räumlich begrenzte Maschinenebene eine Übertragungsrate von 10 Mbit/s auf einer Leitungslänge bis 1.000 Meter. Im Vergleich dazu, liefert zum Beispiel I/O-Link mit einer maximalen Leitungslänge von 20 Metern gerade einmal 230,4 kbit/s. Auch wenn I/O-Link ohne Frage den Anschluss von Sensoren spürbar vereinfacht, reicht die Datenübertragung nach Ansicht von Manfred Walter für zukünftige Aufgaben innerhalb gekoppelter Sektoren nicht mehr aus.
Phoenix Contact und Jumo sehen unisono gerade bei der jüngeren Generation an Fachkräften eine klare Ausrichtung in Richtung konvergenter Ethernet-Netzwerke. „Die Digital Natives haben – provokant gesagt – aus ihrer Prägung und Historie heraus weniger Verständnis dafür, warum wir in der industriellen Automation so viele unterschiedliche Systeme betreiben“, weiß Martin Müller. Ziel müsse sein, sich mehr die Frage zu stellen, was ein Sensor kann und was er über seinen eigenen Messbereich hinaus noch in der Lage ist, zu einem effizienten und ressourcensparenden Anlagenbetrieb beizutragen. „Wir sehen hier eine enorme Zukunft“, so Manfred Walter weiter.
Steckerlösung hygienisch sauber in IP67
Einbauen, anschließen, fertig: Mit der SPE-Konnektivität gestaltet sich die Installation eines Jumo-Sensors einfach und funktioniert aufgrund des Ethernet-Layers ohne Gateways oder aufwändiges Programmieren von Schnittstellen. Mit dem Ziel vor Augen, die Übertragungsdistanz von Single Pair Ethernet von 1.000 Metern in der praktischen Anwendung ohne limitierende Dämpfung zu erreichen, ist der von Phoenix Contact entwickelte Anschluss in der Größe M12 konstruiert. „In der M8-Ausführung hätten wir zu wenig Platz für den Anschluss eines zweiadrigen Datenkabels in AWG18 gehabt, das für die Distanz von 1.000 m zum Einsatz kommt“, erklärt Manfred Walter. Die Ausführung der Verbindung selbst ist auf maximale Robustheit und Hygiene getrimmt. Durchfluss- und Drucksensoren aus der Reihe FlowTrans MAG H20 und Delos S02 von Jumo sind vielfach in der Pharma- und Lebensmittelindustrie im Einsatz. Eine hohe Betriebssicherheit auf Langstrecke lässt sich nur dann erreichen, wenn auch die Anschlüsse auf Langlebigkeit bei anspruchsvollen Produktionsabläufen oder CiP-Reinigung (Clean in Place) ausgelegt sind. Die Phoenix-Contact-Lösung folgt dem Hygienic Design und erreicht Schutzart IP67.
Die Anbindung von Sensoren mit SPE macht den Weg frei, zusätzliche Messgrößen in die Kommunikation einzubinden. Zudem eröffnen sich neue Möglichkeiten, Sensoren direkt an die Cloud anzubinden, da die Geräte funktional bereits über ein Gateway verfügen und folglich kein weiteres Gateway notwendig ist. Das spart Komponenten und Kosten. Typische Einsatzgebiete für den SPE-Multisensor HydroTrans S20 für Temperatur, Feuchte und CO2 sieht Jumo beispielsweise bei der Überwachung von sensiblen Lagerräumen, allgemeinen Monitoring-Aufgaben sowie den anspruchsvollen Aufgaben rund um das Thema Betriebs- und Mitarbeitersicherheit.
Autoren:
Manfred Walter, Produktmanager Single Pair Ethernet (SPE) bei Jumo
Thorsten Sienk, Fachredakteur bei Phoenix Contact
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