Bildverarbeitung

Technologie Vision-Sensor

Baumer: Eine Verbindung von Bildverarbeitung und Sensortechnik erhöht Variabilität und Zuverlässigkeit

20.08.2014 -

Für einige Maschinenbauer ist ein Vision-Sensor auch heute noch eine unbekannte Spezies. Vielleicht kommt es daher, dass der Begriff Vision-Sensor in sich etwas widersprüchlich klingt. Tatsächlich erinnert er ein wenig an „Yin" und „Yang" - das Entgegengesetzte und dennoch aufeinander Bezogene. Dieser scheinbare Widerspruch in der Begriffswahl lässt sich auflösen.

Bleiben wir beim Bild des „Yin" und „Yang". Das „Yang", in diesem ­Sinne der Sensor, ist jedem Ingenieur geläufig, beispielsweise als Lichtschranke, Induktivsensor, Präzisionsschalter usw. Wie sieht es aber mit dem „Yin" aus? Der oftmals weniger vertraute Begriff Vision steht hier für Machine Vision, also für die industrielle Bildverarbeitung.
Vision-Sensoren sind demzufolge eine Geräteklasse, die aus der Verbindung zwischen Bildverarbeitung und Sensortechnik ihre Besonderheit schöpft. Damit steht sie genau zwischen den Welten, zwischen komplexen Bildverarbeitungssystemen aus Kamera und PC und der einfachen Lichtschranke. Dieses Produktkonzept - das kann man vorweg nehmen - behauptet sich am Markt immer stärker.
Die Grundidee ist relativ einfach: Man packe alle Komponenten eines Bildverarbeitungssystems, das klassischerweise aus Kamera, Objektiv, Bildverarbeitungsrechner, Software und Interfaces besteht, in ein kleines industrietaugliches Gehäuse - eben „sensor like". Zusätzlich werden alle Einstellmöglichkeiten und Freiheitsgrade so reduziert, dass praktisch jedermann dieses System für seine visuelle Prüfaufgabe adaptieren kann. Das heißt in der Praxis, dass ein Vision-Sensor parametriert wird, seien es Belichtungszeit, ausgewählte Merkmalsprüfungen oder Schnittstellen. Es muss nichts programmiert werden.
Ein Vision-Sensor lässt sich folglich als handliches, einfach zu parametrierendes Bildverarbeitungssystem beschreiben, das wie ein klassischer Sensor Ergebnisse ausgibt. Das „Yin" (Bildverarbeitung) steht dann für „innen" und das „Yang" (Sensor) für „außen". So wird auch der Unterschied zur Kamera klar, die ausschließlich darauf ausgelegt ist, Bilder zu liefern.

Abgrenzung zur Smart Camera

Oft werden auch die Begriffe Smart ­Camera und Vision-Sensor synonym verwendet. Die Auslegungen sind hier uneinheitlich und vielfach durch die Hersteller und deren Marketing Kommunikation geprägt, womit sie zwangsläufig einem gewissen Wandel unterliegen.
Auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) definiert diese Produktgruppen, exemplarisch nachzulesen in der Marktbefragung 2014. Hier werden Smart Cameras u.a. dadurch von Vision-Sensoren unterschieden, dass mit ihnen eine Applikation durch den Endanwender „(...) durch das Schreiben von Quellcode (...)" [1] realisiert werden kann. Ebenso ist aber auch das Parametrieren erlaubt. Weiterhin geht die Definition auch auf Bauformen ein, so werden Produkte mit abgesetztem Kamera­kopf den Smart Cameras zugerechnet [1]. Vision-Sensoren weisen u.a. „spezifische Applikationssoftware" auf.
Die nordamerikanische Automated Imaging Association (AIA) definiert Vision-Sensoren als Teilgruppe der Smart Cameras: „(...) At a minimum a Smart Camera combines a camera with image processing and MV related programs within the same housing. A smart camera is functionally equivalent to an Embedded Vision Processor. Sometimes smart cameras are called ‚intelligent cameras‘ and ‚Vision Sensors‘. The term ‚Vision Sensor‘ tends to apply to a lower-end Smart Camera." Ein Vision-Sensor ist nach der Definition der AIA „(...) A smart camera with less flexibility and programmability (...)".
Eine Abgrenzung ist offensichtlich auch beim Blick auf verschiedene Quellen nicht sehr scharf, wobei den Smart Cameras die Programmierbarkeit eher zugeteilt wird als den Vision-Sensoren.

Was ist das Besondere an Vision-Sensoren?

Lichtschranken, induktive Sensoren oder Präzisionsschalter lösen typischerweise genau eine Aufgabe, also benötigt man für komplexe Applikationen und herkömmliche Umsetzungen eine Kombination mehrerer solcher Detektoren. Damit jeder Sensor auch im Rahmen seines individuellen Arbeitsbereiches erfolgreich agieren kann, gelten zusätzliche Restriktionen für die Positionierung des Prüflings, denn das Untersuchungsobjekt muss passend zur Anordnung der Sensoren ausgerichtet sein.
Ein Vision-Sensor ist in der Lage, anhand einer Objektaufnahme gleichzeitig mehrere Prüfaufgaben durchzuführen. Einige Geräte können die Teile auch virtuell ausrichten, womit der Aufwand einer mechanischen Ausrichtung entfällt. Das Besondere ist nicht nur die Vielzahl gleichzeitig durchführbarer Merkmalsprüfungen, sondern auch deren Unterschiedlichkeit.
Betrachten wir ein einfaches Beispiel: Eine Verpackung soll beim Abfüller nach dem Abpacken überprüft werden. Der Inhalt wird in eine Box gelegt, mit transparenter Folie überzogen und ein Etikett aufgeklebt. Es gibt eine ganze Menge zu prüfen:

- Ist Inhalt in der Packung?
- Ist das Etikett gerade aufgeklebt (im Rahmen festgelegter ­Toleranzen)?
- Ist das richtige Label auf dem Etikett (der Abfüller produziert für verschiedene Wiederverkäufer)?
- Ist der richtige Barcode auf dem Etikett?
- Steht das richtige Datum auf dem Etikett?

Mit klassischer Sensorik und eventuell noch einem zusätzlichen ­Laserscanner wäre das eine recht anspruchsvolle Prüfaufgabe und Text ließe sich so gar nicht lesen. Die Technologie von Vision-Sensoren erlaubt dagegen die gleichzeitige Prüfung von Anwesenheit, Position, 1D-Code sowie das Lesen von Klarschrift (OCR) - die gesamte Prüfung dieser Packung übernimmt ein einziger Sensor. Das senkt nicht nur den Konstruktionsaufwand und die Komplexität, sondern erhöht gleichzeitig die Zuverlässigkeit und die Variabilität.
Liegt die Bildinformation zu den Prüfobjekten erst einmal vor, sind viele weitere Prüfungen naheliegend: Die Rundheit von Bohrungen, das Prüfen von Winkeln, das Vergleichen mit vorgegebenen Mustern, das Lesen von 2D-Codes, das zum Lesen zusätzliche Verifizieren von Klarschrift (OCV) - die Möglichkeiten sind schier unerschöpflich.

Teachen

Klassische Sensoren müssen „geteacht" werden, bzw. deren Schaltposition muss genau justiert werden. Ein Vision-Sensor erhält sein „Setup" typischerweise über einen zeitweilig angeschlossenen PC, auf dem eine Parametriersoftware den Anwender durch die Parametrierung führt. Eine gute Software hilft auch dem Nicht-Vision-Experten bei der Einrichtung dieses besonderen Sensors.
Oft wird allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Lösung einer Vision-Sensor-Applikation auch ein Verständnis für die Bildverarbeitung erfordert. Das beginnt bei der Überlegung, welche Prüfobjekte eigentlich gerade noch gut (bzw. schon schlecht) sind, also an welchen sichtbaren Merkmalen der Unterschied zu erkennen ist. So wie eine hochwertige Kamera den Bediener nicht automatisch zum guten ­Fotografen macht, ist es auch wichtig, dass die zu untersuchenden Objektmerkmale prozesssicher für den Sensor herausgestellt werden - beispielsweise durch geeignete Zusatzbeleuchtung. Eine konturbasierte Auswertung in Echtzeit kann hier durch höhere Fehlertoleranz entscheidende Vorteile bieten. Unter Umständen können eine externe Beleuchtung oder spezielle Objektive erforderlich werden. Dann ist es gut, wenn modular aufgebaute Produkte mit C-Mount-Anschluss und Blitzcontroller zur Verfügung stehen. Nach wie vor ist Bildverarbeitung alles andere als einfach, denn die Einflüsse von Beleuchtung und Bewegung, von Optik und Timing müssen verstanden werden. In diesem Kontext kann der Begriff Sensor trügerische Einfachheit suggerieren.
Die Analogie zum Sensor wird zwischenzeitlich oft verlassen, spätestens beim Wunsch, den Vision-Sensor immer wieder nachzuparametrieren, weil sich das Untersuchungsobjekt geändert hat. Dazu dienen nutzerorientierte GUI-Konzepte, beispielsweise für den Kunden anpassbare Web-Oberflächen, die die Bedienung im oft vorhandenen Browser der Maschinensteuerung ermöglichen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Vision-Sensoren eine Brücke zwischen Bildverarbeitung und Sensortechnik schlagen. Dabei spielt die Einfachheit eines Sensors genauso eine Rolle wie die Universalität und die Komplexität der Bildverarbeitung. Was dabei stärker zum Tragen kommt, hängt von der jeweiligen Applikation ab. Oft vereinfachen Vision-Sensoren eine komplexe Applikation, die sich sonst nur mit einer Vielzahl klassischer Sensoren lösen ließe.

Kontakt

Baumer GmbH

Pfingstweide 28
61169 Friedberg
Deutschland

+49 6031 6 00 70
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