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Lichtwellenleiterbasierte Messtechnik für hoch­genaue Formmessung

23.02.2011 -

Um schwer zugängliche Prüfmerkmale zu messen, wie beispielsweise in Bohrungen, sind am Markt erhältliche Sensoren häufig nicht geeignet. Sie sind entweder zu groß oder beschädigen die Oberflächen des Prüfobjekts. Deshalb gewinnen faseroptische Messsysteme immer mehr an Bedeutung: Sie weisen eine hohe Messgenauigkeit auf, arbeiten berührungslos und zeichnen sich durch kurze Messzeiten aus, die eine Inspektion im Produktionsprozess ermöglichen.

Die Messung in eingeschränkten Bauräumen, wie Bohrungen, oder an empfindlichen Bauteiloberflächen erfordert den Einsatz einer flexiblen, miniaturisierten und berührungslosen Messtechnik. Vor diesem Hintergrund entwickelte das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT zusammen mit dem Aachener Unternehmen Fionec ein lichtwellenleiterbasiertes Messsystem für die hochgenaue Formmessung.

Systemspezifikation
Das Messsystem basiert auf dem Prinzip der kurzkohärenten Interferome-trie, dargestellt in Abbildung 1, und setzt sich aus einem faserbasierten und einem Freistrahl-Interferometer zusammen. Ein CCD-Detektor erfasst das von der Sonde empfangene Signal, ein eingebauter Mikroprozessor wertet es aus. Bereitgestellt werden die Messergebnisse entweder als Analog- (+/-10 V) oder als Digitalsignal (USB-Anschluss) mit Frequenzen von bis zu 15 kHz. Das System erreicht bei einem Messbereich von 100 µm Messunsicherheiten von 5 nm. Der Arbeitsabstand ergibt sich in Abhängigkeit von der angeschlossenen Messsonde und variiert zwischen 50 µm und 3 mm.
Die faseroptische Sonde besteht dabei aus einem speziellen Lichtwellenleiter (minimaler Durchmesser 80 µm) und wird, abhängig von der Messaufgabe, mit oder ohne Schutzröhrchen ausgestattet [1].

Formmesstechnik
Die Lösungskonzepte für die faseroptische Formmesstechnik umfassen einerseits die Integration des Messsystems in bestehende industrielle Messvorrichtungen (Koordinatenmessgeräte und Formmessplätze) und andererseits speziell angepasste Sonden in unterschiedlichen Größen und Konfigurationen (Abb. 2 links). Für spezielle Anwendungsfälle werden individuell angepasste Messvorrichtungen und -software entwickelt (Abb. 2 rechts).
Für den Fähigkeitsnachweis des Messsystems sowie der Messbarkeit verschiedener Formcharakteristiken wurde das faseroptische Abstandsmesssystem in einen industriellen Formtester von Mahr integriert. Die Messwerte werden analog zur Messmaschine rückgekoppelt. Die Synchronisation zwischen der aktuellen Position und dem Messwert erfolgt über die in der Messmaschine generierten Triggersignale.
Durch die Maschinenintegration sind alle in der Messmaschine vorhandenen Messroutinen und normgerechten Analysefunktionen direkt anwendbar. Somit ist es möglich, eine faseroptische Inspektion der Rundheit, Zylindrizität, Geradheit, Parallelität, Rundlauf, Planlauf und Konizität gemäß DIN/ISO 1101 zu realisieren.
Parallel dazu entwickelte das Fraunhofer IPT individuell angepasste Messvorrichtungen und -software für die Mikrobohrungsmessung (Rundheit und Zylindrizität) und für die Wellenmessung (Rundheit und Rundlauf) [2].

Anwendung
Auf Basis der faseroptischen Sensoren lassen sich Formmessungen hochpräziser Bauteile, wie beispielsweise der Einspritzlöcher von Dieselspritzdüsen, durchführen. Diese Bohrungen besitzen bei einem Durchmesser von 125 µm eine charakteristische Form (Abb. 3a). Sonden mit Durchmessern von 80 µm sind in der Lage, diese zu prüfen. Eine ähnliche messtechnische Aufgabe stellt die Messung an Ventilen und Düsenkörpern für hydraulische Systeme dar, die Bohrlöcher mit Durchmessern im unteren Millimeterbereich aufweisen (Abb. 3c). Eine weitere Messaufgabe, die den Bedarf einer flexiblen messtechnischen Lösung zeigt, ist die Rundheitsprüfung von Zahnrädern. Mit faseroptischen Sensoren lassen sich Zahnräder mit verschiedenen Durchmessern, Zahnflankenformen und -anzahl unter hohen Messraten berührungslos prüfen (Abb. 3b).
Basierend auf den miniaturisierten Fasersonden können schwer zugänglichen Formmerkmale gemessen werden, die mit konventionellen Lösungen nicht überprüft werden können. Beispiele sind strukturierte Wellen (Abb. 3d) und Schleifscheiben (Abb. 3e). Neben der Miniaturisierung der faseroptischen Sonden erfordern diese Schleifwerkzeuge eine berührungslose Messung wegen ihrer abrasiven Oberfläche.
Die mit dem faseroptischen Abstandsmesssystem erzielten hohen Messraten ermöglichen die Inspektion auch in Produktionsprozessen. Die Rundlaufinspektion von Walzen in der Qualitätsprüfung bei hohen Umdrehungsgeschwindigkeiten ist nur ein Beispiel.
Durch den Einsatz eines optischen Schalters können mehrere Sonden abgefragt und kostengünstig mit einer Auswerteeinheit verbunden werden. Dadurch lassen sich faseroptische Messvorrichtungen analog zu pneumatischen Mehrstellenprüfplätzen aufbauen [2].

Ausblick
Am Fraunhofer IPT sind weitere Sondenkonzepte geplant, wie faseroptische Sonden für die Rauheitsmessung sowie weiter miniaturisierte Sonden mit Durchmessern unter den bisher erreichten 80 µm. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung einer Sonde mit inte­grierter Rotationseinheit für die Messung von Bohrungen unter verschiedenen Oberflächenwinkeln sowie für die Detektion von kompletten Zahnrädern.

Literatur
[1] Depiereux, F., König, N., Pfeifer, T. und Schmitt, R.: „Fiber-Based White-Light Interferometer With Improved Sensor Tip and Stepped Mirror", IEEE Transactions on instrumentation and measurement, vol. 56, no. 6, 2007, pp. 2279-2283.
[2] Schmitt, R., König, N., Mallmann, G. und Depiereux, F.: „Fiber-optical measurement of form deviations of rotation-symmetric part", Measurement, Vol. 43, Ausgabe 5, Juni 2010, pp. 714-718.

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT

Steinbachstr. 17
52074 Aachen
Deutschland

+49 241 8904-0
+49 241 8904 198

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