Zukunftssichere Rohrpostsysteme
07.05.2025 - Wie Aerocom mit speziellen Lapp-Leitungen Rohrpostanlagen für die Zukunft rüstet
Technologien und Medien unterliegen einem ständigen Wandel. Was einst als innovativ galt, wird oft von neuen Errungenschaften verdrängt. So wecken Kassetten aus den 90ern heute nostalgische Gefühle, der Plattenspieler löste einst das Grammophon ab, bis schließlich die CD seinen Platz einnahm. Doch nicht jede Technik verschwindet im Laufe der Zeit – manche behaupten sich über Jahrzehnte hinweg. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Aerocom aus Schwäbisch Gmünd, das seit Jahren erfolgreich Rohrpostanlagen entwickelt. Dabei kommen spezielle Leitungen von Lapp zum Einsatz.
Die Idee der Rohrpost geht auf den englischen Ingenieur Josiah Latimer Clark zurück, der Mitte des 19. Jahrhunderts die erste funktionstüchtige Anlage entwickelte – mit dem Ziel, Telegramme innerhalb der Londoner Börse schnell zu befördern. In Deutschland war es Heinrich von Stephan, später Generalpostdirektor des Deutschen Reiches, der das System einführte. Am 1. Dezember 1865 nahm in Berlin eine erste Pionieranlage den Betrieb auf: Über eine rund einen Kilometer lange Strecke verband sie das Haupttelegraphenamt mit der Börse.
Im Laufe der Jahre wurden die Rohrpostnetze immer weiter ausgebaut und technisch verfeinert. Besonders in Metropolen wie Paris, Wien oder New York dienten sie dazu, kleinere Gegenstände, Briefe und Informationen zuverlässig und zügig an Telegraphenämter, Banken, Ministerien oder Zeitungsredaktionen zu übermitteln. In Spitzenzeiten erreichten die Netze eine Länge von mehreren hundert Kilometern.
Bewährte Luftstromtechnik
„Heute kennen die meisten Menschen die Rohrpost aus dem Krankenhausbetrieb, zum Beispiel für den schnellen Versand von Blutproben ins Labor oder Blutkonserven direkt in den Operationssaal“, erklärt Jürgen Wörle von Aerocom. „Das ist auch korrekt, aber sie ist darüber hinaus beispielsweise auch in Industrieanlagen, Supermärkten, Apotheken, Banken und großen Firmen im Einsatz“. Seit 1956 produziert und vertreibt das Unternehmen mit Sitz in Schwäbisch Gmünd Rohrpostanlagen für die unterschiedlichsten Kunden. Dabei hat sich an dem Prinzip, wie die Büchsen durch die Rohre geschickt werden, sowohl seit der Gründung des Unternehmens als auch seit der Erfindung des Kommunikationssystems wenig verändert.
Die Anlagen bestehen aus einem System aus Kunststoff- oder Metallröhren, in denen zylindrische Behälter, die sogenannten Büchsen, transportiert werden. Das System verfügt dabei über verschiedene Einwurf- oder Entnahmestellen inklusive Klappen oder Schleusen, die angesteuert werden können. Die Luftströme können mittels einer Steuerzentrale reguliert und so jede Büchse zur jeweils richtigen Station geleitet werden. Als Antrieb für das Transportgut dient dabei Druck- oder Sogluft, die die Büchse mit einer Geschwindigkeit von ca. 6 bis 10 m/s durch die Rohre schiebt, oder ein Vakuum, das die Behälter vom Zielpunkt aus ansaugt. Automatische Weichen und eine ausgeklügelte elektronische Steuerung leiten die Büchsen an die richtigen Zielstationen.
Viele Gründe sprechen für die Rohrpost
„Wir haben unterschiedliche Kundensparten“, erzählt Jürgen Wörle. „Zum einen Kunden, die die Rohrpost nutzen, weil sie besonders schnell, sicher und zuverlässig ist und zum anderen Sonderprojekte, die unsere Anlagen quasi zu Kunstwerken machen.“ Tankstellen sind ein Beispiel für die erste Gruppe, die Bargeld nach dem Bezahlvorgang mittels Rohrpostsysteme sicher und unauffällig in den hauseigenen Tresor senden. So sind Überfälle hinfällig. Auch in Stahlwerken kommen die Systeme zum Einsatz: heiße Stahlproben werden in Alu- oder Edelstahlbüchsen schnell ins Labor gesendet, um gegebenenfalls Mischverhältnisse anzupassen und so wenig Produktionszeit wie möglich zu verlieren. Zur zweiten Gruppe gehören beispielsweise eine Installation im Münchner Patentamt, oder auch ein Kreuzfahrtschiff, das seine Rutschenanlage mit einem Rohrpostsystem ergänzt hat, um Brillen, die beim Rutschen getragen werden, wieder zum Rutscheinstieg zurückzubefördern.
Doch wie konnte die Technologie die vielen neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die seit ihrer Erfindung hinzukamen, überleben? „Das liegt an der Art und Weise des Transports“, weiß Jürgen Wörle. „In Krankenhäusern, in denen vieles zeitkritisch ist, ist sie schlicht und einfach die schnellste Option, um etwas von A nach B zu befördern. Darüber hinaus ist sie zuverlässig, sicher, günstig und extrem langlebig.“ Daten können beim Versand mit der Rohrpost nicht einfach abgegriffen werden, wie es bei digitalen Informationen beispielsweise durch Hacking möglich sein kann. Für die einfache, aber intelligente Technologie hinter den Systemen ist der Mensch der größte und beinahe einzige Risikofaktor. Für den Betrieb wird vergleichsweise wenig Strom benötigt, auch Wartung benötigen die Anlagen nur wenig, und sowohl die Büchsen als auch die Rohrsysteme weisen erst nach längerer Zeit Anzeichen von Verschleiß auf. „Sie reinigen sich sogar quasi selbst!“, so Wörle. Jede Büchse ist mit Büchsenringen aus einem weichen Flauschbelag versehen, der dem Material eines Klettverschlusses ähnelt. Diese Ringe dienen dazu, dass die zur Reibungsminderung im Rohrsystem und zur Abdichtung für die optimale Nutzung der Luftströmung genutzt werden. Zugleich „fegen“ sie bei jedem Versand manuell durch das Rohrsystem und halten es staubfrei. So bleiben Rohrpostanlagen nach wie vor beliebt und werden von überall aus der Welt bei Aerocom angefragt.
Platzsparende Lösung für Energieversorgung und Datenübertragung
Über die Lebenszeit der Rohrpost gab es auch Veränderungen: die Datenmengen, die für die Steuerung, der immer komplexer gewordenen Systeme anfallen. Neben einer zuverlässigen Energieversorgung benötigen die Anlagen daher auch eine Steuerleitung, über die alle Daten sicher und schnell übermittelt werden können. Ein Knackpunkt bei den Rohrpostanlagen: „Es wäre sehr schwierig, bei der Montage der Systeme zwei Kabel zu verlegen“, so Jürgen Wörle. „Daher brauchten wir eine Sonderleitung, die beides vereint – Strom und Daten - und uns bei der Installation Platz und sehr viel Zeit spart.“
Auf der Suche nach solch einer Sonderleitung stieß Aerocom auf Lapp. Der Weltmarktführer für integrierte Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie entwickelte eine kundenindividuelle Lösung. Die Spezialanfertigung für den Kunden kombiniert platzsparend die Energieversorgung und Datenübertragung in einem Kabel – mit zwei verschiedenen Spannungen. Eine entsprechende Isolation gewährleistet die technische Sicherheit. „Das Kabel läuft an den Rohren der Rohrpost entlang“, erklärt Jürgen Wörle. „Die 24 Volt des Kabels versorgen in der Regel alle Geräte und Weichen des Systems mit Energie, sodass die Entnahmestationen keinen zusätzlichen Netzanschluss benötigen.“ Von Lapp bezieht der Kunde zwei Ausführungen der Sonderleitung: In den meisten Bereichen kann eine Leitung mit PVC-Mantel eingesetzt werden, in Bereichen mit hohen Sicherheitsanforderungen an den Brandschutz greift Aerocom jedoch auf eine halogenfreie Variante zurück, etwa in Krankenhäusern oder öffentlichen Gebäuden. Da Aerocom großen Wert auf die Produkteigenschaften der Sonderleitungen legt, dürfen keine anderen Kabel von Partnern von Aerocom für die Rohrpostanlagen verwendet werden.
Partnerschaft zwischen schwäbischen Tüftlern
„Als schwäbische Tüftlerunternehmen passen Lapp und Aerocom einfach zusammen“, reflektiert Jürgen Wörle die rund 15-jährige Partnerschaft der beiden Unternehmen. „Wir vertreiben ein hochwertiges Produkt und arbeiten deswegen gerne mit hochwertigen Partnern aus der Region zusammen. Die Nähe macht eine gute Zusammenarbeit viel einfacher.“ Auch schwierige Zeiten habe man schon gemeinsam überstanden, erinnert sich Wörle. „Die Zusammenarbeit war dabei immer geprägt von einer Kommunikation auf Augenhöhe und gegenseitigem Verständnis.“
Und so soll die erfolgreiche Zusammenarbeit noch viele Jahre fortgesetzt werden – mit dem Ziel, die Sonderleitungen künftig sogar weiterzuentwickeln. „Mit unseren Anlagen sind wir immer am Zahn der Zeit und brauchen deswegen auch Komponenten, die das mittragen“, erklärt Jürgen Wörle die gemeinsame Vision.
Alle Systeme sind inzwischen zentral rechnergesteuert. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das bei Großprojekten wie dem Universitätsklinikum Heidelberg: Dort werden täglich rund 4.000 Büchsen durch ein 35 Kilometer langes Rohrnetz an etwa 190 Stationen verschickt. „All das generiert eine riesige Menge an Daten, welche gegen elektromagnetische Störeinflüsse geschützt werden müssen“, so Wörle. Eine komplexe Aufgabe – der sich Lapp auch in Zukunft an der Seite von Aerocom stellen will.