Automatisierung

Auf die Minute: Wie ein Automatisierungssystem die Metro in Antwerpen pünktlicher macht

29.08.2017 -

Wenn bahntechnische Steuerungssysteme in die Jahre kommen, häufen sich Störungen und Ausfälle. Am unterirdischen Schnittpunkt dreier Metrolinien im Zentrum von Antwerpen ersetzt deshalb ein SIL 4-fähiges Automatisierungssystem die veralteten Steuerboards. Die softwarebasierte Steuerungs- und Sicherheitslösung löste Schritt für Schritt und ohne in die komplexe elektrotechnische Peripherie einzugreifen die bestehende Technik ab.

Mitten unter der City von Antwerpen treffen am so genannten Triangle drei Metrolinien aufeinander. Dabei werden an jeder der drei Stationen jeweils zwei Gleise in einen Schienenstrang überführt. Steuerungs- und Überwachungssysteme sorgen unter anderem dafür, dass jeweils nur eine Bahn in die Station einfahren kann. In den vergangenen Jahren kam es dort immer wieder zu Störungen des Betriebsablaufes. „Die Platinen mit ihren elektromagnetischen Komponenten sind seit über 35 Jahren im Dienst, wir haben zunehmend Schwierigkeiten, die passenden Ersatzteile zu beschaffen. Gleichzeitig gehen jene Mitarbeiter in den Ruhestand, die sich mit dieser Technologie noch auskennen.“, so Guido Maesschalck, Electronic Engineer bei De Lijn, Betreibergesellschaft des öffentlichen Personennahverkehrs im Großraum Antwerpen.

Veraltete Elektro- und Gleispläne erforderten Hard- und Software-Analyse

Somit bestand dringend Handlungsbedarf: Gesucht wurde eine moderne softwarebasierte Lösung, welche die Funktionalität der veralteten Steuerungs- und Überwachungstechnik ersetzt. Des Weiteren lautete die Anforderung, die gesamte elektrotechnische Infrastruktur rund um die Weichenknoten und Schaltschränke zunächst unverändert zu lassen. Die Modernisierung sollte modulartig und schrittweise, die finale Umstellung an den drei Knotenpunkten dann quasi über Nacht erfolgen können. Schließlich wollte man den öffentlichen Personennahverkehr nicht für Monate lahmlegen. Der Bahnbetreiber schrieb das Projekt aus, über Empfehlungen aus dem Bahnbereich kam das deutsche Automatisierungsunternehmen Pilz ins Spiel, das bereits seit 1995 mit einer Niederlassung in Belgien vertreten ist. „Im Anschluss an ein erstes Referenzprojekt waren wir uns sicher, mit Pilz den geeigneten Partner für die steuerungs- und sicherheitstechnische Modernisierung des sensiblen Triangles gefunden zu haben.“, so Guido Maesschalck.
Die Herausforderung bestand zunächst darin, ein auf diesen speziellen Fall abgestimmtes Projektszenario zu entwickeln. Da zu Beginn nicht viel mehr als einige alte Elektro- und Gleispläne zur Verfügung standen, führte Pilz eine an den Anforderungen ausgerichtete Hard- und Software-Analyse durch und strukturierte parallel dazu den Projektablauf durch. Anhand eines verbindlichen Fahrplans wurden Etappenziele definiert, die Hardware-Tools ausgewählt und die entsprechenden Software-Anwendungen entwickelt.

Zertifiziertes Automatisierungssystem für den Bahnbetrieb

Zentraler Bestandteil der neuen Steuerungs- und Sicherheitslösung ist das Automatisierungssystem PSS 4000. Pilz hat das industrieerprobte Automatisierungssystem für besondere Anforderungen im Schienenverkehr weiterentwickelt: Die speziellen Module mit der Typenbezeichnung -R („Railway“) sind robust gegenüber elektromagnetischen Störungen, extremen Temperaturen und mechanischen Belastungen, wie sie im Bahnumfeld typischerweise auftreten. Die -R-Module im Automatisierungssystem PSS 4000 erfüllen die Cenelec-Zulassungen nach EN 50126, EN 50128, EN 50129 und der EN 50155. PSS 4000-R enthält die bahnspezifischen Sicherheitszulassungen bereits als Produkteigenschaft. Sie sind in verschiedenen Applikationen mit verschiedenen Sicherheitsintegritätsstufen im Bahnbereich einsetzbar. Dazu zählen Steuerungsfunktionen von Arbeitsmaschinen im Gleisbau und in Triebfahrzeugen ebenso wie Steuerungs- oder Überwachungsfunktionen im Signalbereich, wie beispielsweise zur Signalüberwachung bei Bahnübergängen, der Leit- und Sicherheitstechnik oder der Stellwerkskopplung. Das Automatisierungssystem ist in der Gesamtapplikation SIL 4-fähig.

Die Aufgabe lautet: geordnete, sichere und effiziente Betriebsabläufe

Vereinfacht ausgedrückt hat das Automatisierungssystem PSS 4000 von Pilz an den drei Knotenpunkten die Aufgabe, geordnete, sichere und effiziente Betriebsabläufe zu gewährleisten. Zuverlässiger, leistungsfähiger und effizienter als die Technik. So stellt die neue softwarebasierte Automatisierungslösung sicher, dass an den drei identischen Gleiszusammenführungen stets nur einem Zugführer freie Einfahrt in die Station gewährt wird. Sollte noch eine Bahn in der Station sein, zeigen die Signale beider Gleise rot. Kommen zwei Bahnen nahezu gleichzeitig an, entscheidet das Automatisierungssystem nach einem vorgegebenen Modus, welche Bahn Vorrang hat. PSS 4000 steuert und überwacht nicht nur Weichenstellung und Lichtsignale, sondern auch die im Gleisbett angebrachten Sensoren und Detektoren. Diese zeichnen für den Mindestabstand zwischen zwei Zügen verantwortlich. Wird dieser unterschritten, bremst das Automatisierungssystem den hinteren Zug automatisch ab. Je nach Situation wird dem Zugführer angezeigt, welche Geschwindigkeit er maximal fahren darf. Ignoriert er diese Anzeige, bremst das Automatisierungssystem die Bahn ebenfalls ab. Zudem erkennt das PSS 4000 Kabelbrüche, den Ausfall oder Fehlfunktionen von Signallampen, Streckensensoren und ergreift die geeigneten sicherheitsgerichteten Maßnahmen.

Platinen räumen das Feld…Moduleinheiten kommen

An jedem der drei Weichenpunkte kommen jeweils drei PSS4000-Moduleinheiten zum Einsatz, die via SafetyNet p miteinander in Verbindung stehen. PSS 4000 besteht aus mehreren Funktionsgruppen, als Hardware-Komponenten sind sichere PLCs, I/O-Geräte und verschiedene I/O-Module für Safety- und Automatisierungsfunktionen verfügbar. Die modularen Einheiten nehmen in den Schaltschränken exakt jenen Platz ein, der zuvor von den alten Elektroplatinen belegt waren. Das Mastermodul (MAW) mit den übergeordneten Steuerungs- und Überwachungsfunktionen befindet sich im zentralen Schaltschrank nahe der Weiche, die beiden Slavemodule (MV“- und MV“+) in den Schaltschränken an den Signalanlagen der zuführenden Gleise.

Die elektrotechnische Peripherie bleibt unverändert

Zusammenfassend weist das Automatisierungssystem PSS4000 für die schrittweise Modernisierung bahntechnischer Steuerungs- und Überwachungsinfrastruktur im Bahnbetrieb mehrere Vorteile auf: Die Maßnahmen lassen sich Schritt für Schritt und punktuell realisieren. Die gesamte elektronische Peripherie bestehend aus Signal-, Leit-, Meldetechnik wie auch die Verkabelung der Schaltschränke untereinander bleiben unangetastet. Das Automatisierungssystem PSS4000 erfüllt somit auch eine Interface-Funktion zwischen den alten Schaltkästen. Die modular aufgebaute Technik ist hochgradig standardisiert, individuelle Anpassungen an besondere Aufgaben sind problemlos möglich.
Das System ist, nach erfolgreichen Tests der Module im Offline-Modus, schnell einsatzbereit: Für die Erstellung, Konfiguration und Parametrierung sicherheitsrelevanter Anwendungen sowie deren Übertragung an die Steuerung steht die Software-Plattform PAS4000 von Pilz zur Verfügung. „Das Automatisierungssystem ist für uns die Grundlage, in den nächsten Jahren auch andere Streckenbereiche sicherer und zuverlässiger zu machen. Dank der Hard- und Software sowie der guten Unterstützung und Beratung von und durch Pilz sind wir sicher auf der richtigen Spur“, fasst Guido Maesschalck zusammen.

 

Pilz_1_TR0817: Schritt für Schritt und ohne in die komplexe elektrotechnische Peripherie einzugreifen wurde die bestehende Steuerungstechnik durch die softwarebasierte Steuerungs- und Sicherheitslösung PSS 4000 abgelöst.

 

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