Automatisierung

"RFID bietet theoretisch unbegrenzte Möglichkeiten"

Interview mit Norbert Matthes, Contrinex, über RFID in der Industrie

14.02.2019 -

RFID gilt als Schlüsseltechnologie im Kontext von Industrie 4.0. Was kann RFID heute leisten?

Norbert Matthes: Industrie 4.0 bedeutet ja einen noch tieferen Automatisierungsgrad, zum Beispiel in der Fabrikautomation, wo Objekte mit Objekten, Maschinen mit Objekten etc. durchgängig kommunizieren und Informationen sammeln und bereitstellen und die Abläufe dabei steuern. RFID ist dabei eine der Schlüsseltechnologien. Man kann sagen, dass diese für eine «digitale Transformation» der Wertschöpfungskette sorgen. RFID ist sozusagen ein Enabler von Industrie 4.0.

Was hat sich in Sachen Implementierung, Komplexität und Reichweite in den vergangenen Jahren getan – unter anderem in Bezug auf die Frequenzbänder?

Was Reichweite betrifft, mag es ein wichtiges Kriterium sein, dass diese groß ist. Nach wie vor hängt die Reichweite aber von wichtigen Faktoren ab, so zum Beispiel von der verwendeten Frequenz. Grundsätzlich kann aber auch gesagt werden, dass eine größere Reichweite auch mit einem höheren Aufwand verbunden ist, denn je größer die Reichweite, desto mehr potentielle Störquellen wirken auf das System ein. So hat der UHF-Bereich mit seiner Reichweite im Bereich mehrerer Meter mit Reflektionen und somit Feldauslöschungen zu kämpfen. Diesen Phänomenen begegnen die Hersteller mit geschickter Antennentechnik, die den kompletten Bereich ausleuchtet und somit die Leserate auf nahezu 100 Prozent bringt. Contrinex ist auf Märkte im industriellen Umfeld der Industrieautomation ausgerichtet. Bei den angetroffenen Anwendungen in den industriellen Fertigungslandschaften werden in der Regel keine großen Reichweiten und Pulk-Lesung benötigt. Auch ist das Umfeld meist „metallhaltig“, was dem Einsatz unserer HF-Technik (13.56MHz) oder gar NF-Technik (125kHz) eine Daseinsberechtigung verleiht.

Welche RFID-Lösungen hat Contrinex aktuell im Portfolio? Und was ist deren USP?

Contrinex bietet ein komplettes RFID-System einschliesslich Transponder und Schreib-/Leseköpfe für Niederfrequenz- und Hochfrequenz (NF und HF) sowie Feldbus-Interfacegeräte.
Die Schreib-/Leseköpfe oder Reader verwenden eine physikalische RS485-Ebene oder eine IO-Link-Anbindung. Schreib-/Leseköpfe mit RS485 ermöglichen eine Verkettung von NF- und/oder HF-Schreib-/Leseköpfen in einer Daisy Chain, wodurch die Gesamtzahl der Feldbus-Interfacegeräte reduziert wird. Direkt an eine RS485-Schnittstelle können so bis zu 253 Schreib-/Lese-Köpfe angeschlossen werden.
Vorteile der Systeme: Komponenten aus der niederfrequenten NF-Familie bieten sehr gute Leistung in metallischen Umgebungen, wie zum Beispiel als elektronische Werkstückbegleitkarte auf Werkstückträgern. Vollbündig einbaubare Ganzmetall-Tags sind dabei unempfindlich gegen Schmutz und beständig gegen Korrosion und Abrieb und entsprechen der Schutzart IP68 und IP69K. Die Tags sind für Betriebstemperaturen von -40 bis zu + 180 °C (Spezialtransponder) verfügbar. Die Datenkommunikation der NF-Schreib-/Lese-Köpfe wird durch das Vorhandensein von Metallspänen nicht beeinflusst.
Komponenten aus der HF-Familie entsprechen dem Standard ISO/IEC 15693 und funktionieren somit mit Komponenten verschiedener Hersteller. Contrinex bietet HF-Transponder bis 250 °C/1.000 h oder 1.000 Zyklen sowie On- bzw. In-Metal-Transponder für 13.56 MHz.
IO-Link-Schreib-/Lese-Köpfe für HF von Contrinex bilden quasi ein Gateway zwischen dem IO-Link-Standard EN61131-9 und ISO 15693 für RFID. Neben der direkten Ansteuerung der SLK im IO-Link-Modus mit Schreib-/Lese-Befehlen verfügt der IO-Link-SLK über einen Standard-IO-Modus: den SIO-Betrieb. In dieser Betriebsart werden die zwei binären Schaltausgänge durch vorher festgelegte Bedingungen geschaltet (Tag vorhanden oder Datenblock-Vergleich). Diese Operation führt der Sensor dann völlig autark durch, was ihn somit zu einem Smart-Sensor macht.
Zur Unterstützung bei der Integration bietet Contrinex eine Funktionsbausteinbibliothek über die Internetseite an.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach RFID für ein intelligentes Behältermanagement respektive für die Logistik?

Viele Unternehmen erwägen den Einsatz von RFID-Systemen im Paletten- oder Behältermanagement oder besitzen bereits operative Anwendungen in diesem Bereich. Ein Kernnutzen ist die transparente Rückverfolgbarkeit der Behälter oder Paletten innerhalb der Supply-Chain. Ein weiterer interessanter Nutzen ist die Identifizierung eines Behälters beim Befüllen durch Schlauchbahnhöfe. Beim Andocken des Schlauchs an den Behälter wird Information zum sensiblen Inhalt in den Transponder geschrieben, wobei sich der Schreib-/Lesekopf am Schlauch und der Transponder am Behälter befindet. Eine Passwortschutz-Funktion sorgt für zusätzliche Prozess-Sicherheit. Eine solche Anwendung macht beispielsweise in der Chemie- oder Pharmaindustrie Sinn.

Wo liegen die Vorteile von RFID gegenüber Barcodes? Und wird RFID den Barcode eines Tages ablösen (können)?

Wie der Barcode ist RFID ein Auto-Identsystem, nicht optisch, sondern über Radiofrequenz. Im Grunde genommen soll der RFID-Transponder den Barcode ja nicht verdrängen, sondern mit seinen technischen Möglichkeiten neue Potentiale für die automatische Identifizierung bringen. Diese sind, neben der Wiederbeschreibbarkeit während der Prozesse, der wesentlich höhere Speicher, Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen, die einen Barcode unleserlich machen würden und der nicht notwendige Sichtkontakt. Daneben gibt es noch Passwortschutz-Funktionen für mehr Prozesssicherheit. Die besagten Möglichkeiten machen in einer automatisierten Fertigung Sinn, beispielsweise als elektronische Werkstückbegleitkarte, aber niemand würde einen RFID-Transponder auf einen Joghurtbecher anbringen. Hier hat der Barcode nach wie vor seine Daseinsberechtigung, nämlich dort, wo die Kosten möglichst gegen Null gehen sollen und die Datenmenge ohnehin auf wenige Ziffern beschränkt ist.

Welchen Beitrag kann RFID leisten, um Industrieprozesse aber auch unseren Alltag smarter zu gestalten?

RFID kann als eine Querschnittstechnologie mit theoretisch unbegrenzten Möglichkeiten in allen Bereichen gesehen werden. Bei den Industrieprozessen trägt RFID dazu bei, diese durchgängig zu digitalisieren. Informationen können automatisch sowohl zwischen Objekten als auch zwischen Objekten und Maschinen ausgetauscht werden, sodass letztlich die Objekte die Dinge selbst steuern und regeln. Der Industrieroboter liest den Inhalt des Transponders am Werkstückträger und leitet die anstehenden Arbeitsschritte selbstständig ein. Auch im Alltag sind wir smarten Umgebungen ausgesetzt, in denen sich RFID etabliert hat. Denken Sie im einfachsten Fall an die Scheckkarte im Hotel zum Öffnen der Zimmertüre, oder den RFID-Chip im Autoschlüssel als Wegfahrsperre. Beim kontaktlosen Bezahlen am Kassenterminal verhält sich das Smartphone durch NFC-Technologie wie eine kontaktlose Kreditkarte mit RFID-Chip, weil es diesen emulieren kann. Somit könnte (könnte!) es natürlich auch eine Karte zum Öffnen einer Hotelzimmertüre emulieren, die es vorher als NFC-Lesegerät gelesen hat. Womit dann auch das Thema Datensicherheit ausgesprochen wäre.

Kontakt

Contrinex Sensor GmbH

Friedrich-List-Str. 44
70771 Leinfelden-Echterdingen
Deutschland

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