Messtechnik ermittelt Ermüdungslebensdauer von Wälzlager-Werkstoffen
28.05.2015 -
Wälzlager sollen immer leistungsfähiger werden - unter anderem durch neue Werkstoffe. Um deren Eigenschaften testen zu können, setzt ein Lager-Hersteller auf eine Prüftechnik, die Lagertemperaturen und Vibrationssignale erfasst, analysiert und speichert. Kurz bevor das Ringmaterial ausbricht wird der Langzeitversuch dann automatisch gestoppt.
Ob Werkzeugmaschinenspindeln oder Getränkeabfüllung: Wälzlager mit keramischen Komponenten gehören in vielen Bereichen zum Stand der Technik. Gründe dafür liegen in den hohen Anforderungen an die Lagerung: hohe Drehzahlen, ungünstige Schmierungsbedingungen, korrosive Reinigungsmedien oder hohe Lasten. Daher zeigen auch andere Branchen, wie die Luft- und Raumfahrt, Interesse an den Lagern. Neue Werkstoffen, wie spezielle Keramiken oder Wälzlagerstähle, können die Leistungsfähigkeit der Lager weiter verbessern. Die Qualifizierung eines neuen Werkstoffs ist jedoch aufwendig. Daher hat der Wälzlager-Hersteller Cerobear eine neue Prüftechnik aufgebaut, um die Ermüdungslebensdauer von Wälzlagerwerkstoffen zu untersuchen.
Aufbau des Prüfsystems
Die Prüftechnik umfasst eine Prüfspindel, welche zwei Prüflager aufnimmt. Dabei wird jedes Prüflager (modifizierte Axial-Rillenkugellager) mit einer eigenen Sensorik überwacht. Durch die Ausführung einer Lagerscheibe ohne Laufbahn wird diese höher belastet und fällt daher vor den anderen Lagerkomponenten aus. Als Messgrößen definierte das Unternehmen neben der Lagertemperatur die Schwingungssignale, die über lokale Beschleunigungssensoren am Lager erfasst werden. Eine externe Software wertet die Daten anschließend aus und stellt Kennwerte für Abbruchkriterien bereit. Dabei war es Aufgabe der Firma MetaDaq, einem Spezialisten für Lageranalytik und Vibrationsanalyse, die Software dafür zu entwickeln.
Quantitatives Abbruchkriterium
Der Schadensmechanismus, der für einen Ausfall im Fatigue-Test verantwortlich ist, wird als Spall bezeichnet. Bei dieser Art des Ermüdungsschadens handelt es sich um einen Ausbruch aus dem sich im Wälzkontakt befindlichen Ringmaterials, der bis zu mehrere hundert Mikrometer im Durchmesser groß sein kann. Den Zeitpunkt des Ausbrechens gilt es messtechnisch sicher zu erfassen, da darüber eine Aussage über die Lebensdauer eines Werkstoffs getroffen wirs. Ein solcher Schaden entsteht direkt in der von den Wälzkörpern überrollten Kontaktzone. Aus der Lagergeometrie lassen sich die erwarteten, charakteristischen, drehzahlabhängigen Überrollfrequenzen berechnen. Im Bereich dieser charakteristischen Frequenzen wird der Energieinhalt der Spektren berechnet.
Neben den charakteristischen Frequenzen wird für die Analyse zusätzlich das gesamte Frequenzspektrum in Frequenzbänder gleicher Bandbreite unterteilt, deren Energieinhalt ebenfalls berechnet wird (sogenannte Spectra-Items). Dadurch kann auch unspezifischer Verschleiß erkannt werden, der sich in einem Signalanstieg bei hohen Frequenzen äußert. Neben diesen frequenzabhängigen Größen werden zusätzlich frequenzunabhängige Kenngrößen, wie RMS-, Max- oder Crest-Wert, in Echtzeit berechnet, gespeichert und zur Schadenserkennung herangezogen.
Im Versuch wird als Referenz zunächst der Anfangswert der Pegel einer unbeschädigten Test-Lagerscheibe bestimmt. Dieser Wert wird mit einem Sicherheitsfaktor skaliert, um ein quantitatives Abbruchkriterium zu erhalten. Beim Überschreiten eines dieser so gewonnenen Grenzwerte wird der Versuch beendet.
In Abbildung 1 ist ein deutlicher Anstieg in allen Kenngrößen des oberen Lagers (rote, steile Kurve) gegen Ende der Aufzeichnung zu sehen. Da die Steigung gegenüber dem unteren Lager (grüne Kurve) signifikanter ausfällt, ist trotz leichtem Crosstalk mit einem Spall im oberen Lager zu rechnen.
Die Prüfstandsoftware
Die Software MyVibrationLogger von MetaDaq übernimmt die Steuerung der Prüfzelle, die Messdatenerfassung, die Visualisierung sowie die Speicherung der Messwerte. Das in LabView entwickelte Programm basiert auf einem nachrichtenbasierten und parallelen Active-Objekt-Framework.
Das Hauptprogramm fungiert als Plug-in-Host, der konfigurationsgesteuert (oder auch laufzeitdynamisch) Module laden kann. Diese Anwendungs-Module kapseln jeweils einen bestimmten Anwendungsaspekt. Das Instanziieren, Enumerieren und die Bereitstellung der Kommunikationsinfrastruktur (Queues, Notifier) übernimmt ein spezielles Metamodul (der Module-Controller MC). Jedes Modul verfügt jeweils über fünf dedizierte Workerthreads, die als Endpunkte für Framework-Nachrichten dienen. Die hier gezeigte Anwendung besteht aus rund 35 Threads, die untereinander kommunizieren.
Der Modul-Controller und seine Module betten sich visuell in die Hauptapplikation ein, sodass eine einheitliche GUI entsteht. Auf Multimonitorsystemen können die Modulet auch visuell ausgegeben werden, um simultan die GUI verschiedener Programmdomänen betrachten zu können (UUT-Steuerung, Messung, Berechnung). Das Gesamtsystem besteht aus über 4.000 VI, deren Verwaltung und Entwicklung durch den Einsatz eines Versionierungssystems unterstützt wird.
Als Messhardware kommen PXI-Systeme von National Instruments zum Einsatz. Über die Hardware werden die Messdaten erfasst (Vibration, Temperatur, Momente) und der Controller des Motors der Prüfzelle analog angesteuert. Die Motorsteuerung erfolgt durch ein eigenes Software-Modul. In der Praxis können hier Nichtlinearitäten in den Kennlinien der Motoransteuerung auftreten, die durch interaktives Anlernen und „Fitten" (Spline) kompensiert werden können. Die Motorsteuerung gibt unter anderem die aktuelle Spindeldrehzahl aus, um im Messmodul ordnungsbasierte Berechnungen (Spectra-Items) in Echtzeit zu ermöglichen.
Datenspeicherung mit TDMS-Streaming
Sind die physischen Messkanäle definiert, kann die Messwerterfassung gestartet werden. Messwerte und Alarmschwellen sind live sichtbar und können parametriert werden, ohne dass dabei Daten gespeichert werden müssen. Dieses Vorgehen erleichtert es, eine sinnvolle Grundkonfiguration für die spätere Messung zu erstellen. Zur Begutachtung der Signale können die Zeitsignale und Spektren zusätzlich in eigenen Displays angezeigt werden.
Hochfrequente Langzeitmessungen von mehrkanaligen Schwingungssignalen erfordern eine intelligente Ablage im Dateisystem.
Die entstehenden Datenmengen sind selbst im Singlefloat-Format erheblich. Daher kommen Techniken zum dynamischen Aufteilen der Messdaten-Files sowie Echtzeitaggregation zum Einsatz. Für eine erste schnelle Übersicht nach der Messung werden zusätzlich jpg-Bilder der entstehenden Spektren mitgespeichert. Damit kann ‒ ohne viel Aufwand ‒ wie in einem Film die zeitliche Entwicklung des Prüflaufs beobachtet werden. Die Software speichert die Schwingungssignale und die berechneten Kennwerte simultan in mehrere TDMS-Dateien. Hierbei wird von den drei Ebenen der internen TDMS-Struktur Gebrauch gemacht, um Metadaten als entsprechende Attribute an die Messdaten anzuheften. Durch die Metadaten bleiben die Messdaten auch im nachgelagerten Postprocessing (zum Beispiek mit Diadem) interpretier- und rückverfolgbar.
Zusammenfassung
Die neu entwickelte Prüftechnik zur Materialqualifizierung bei Cerobear hat sich im Alltag bewährt. Sie liefert Erkenntnisse über das Verhalten neuer Lagermaterialien. Die Messungen liefern zusätzlich tribologische Erkenntnisse über die eingesetzten Schmierstoffe. Die so entstehende Wissensbasis ermöglicht die Entwicklung von Lagereinheiten unter Extrembedingungen. NI CDaq-Hardware und NI LabView haben sich als Plattform für die Messtechnik und für die Entwicklung von langzeitstabiler, skalierender Software als gute Wahl erwiesen.
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